Von Aissatou Frisch-Baldé, Abteilungsleitung Büroflächenvermietung Engel & Völkers
Berlins Büroimmobilienmarkt zeigte sich auch im dritten Quartal 2023 von einer dynamischen Seite. 148.000 Quadratmeter Bürofläche wurde neu vermietet, das ist das Ergebnis des Recherche Teams von Engel & Völkers Commercial. Ein beträchtlicher Anteil dieser Fläche (rd. 26 %) wurde von der BimA – der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben – in Anspruch genommen. Während die Spitzenmiete auf 47,00 € anstieg (insbesondere für moderne Büroflächen in Top-Lagen, die weiterhin knapp sind), zeigte die Durchschnittsmiete einen leichten Rückgang um etwa zwanzig Cent auf 28,80 €. Der Leerstand in Berlin neigt sich den vier Prozent zu und weist eine steigende Tendenz auf.
Mit Blick auf das bevorstehende vierte Quartal besteht Optimismus, insbesondere im Hinblick auf die geplanten Geschäftsabschlüsse. Es wird erwartet, dass bis zum Jahresende eine Gesamtfläche von rund 600.000 Quadratmetern neu vermietet wird.
Engel & Völkers hat in diesem Kontext bereits 23 Mietverträge im dritten Quartal erfolgreich zum Abschluss gebracht. Hierbei kristallisierte sich der Trend zur kleinteiligeren Vermietung unter 500 m² heraus (rd. 60% aller Mietverträge wurden in diesem Größensegment abgeschlossen). Deshalb empfehlen wir Immobilieneigentümern, ihre Büroflächen in kleineren Einheiten zur Verfügung zu stellen, um das Klumpenrisiko zu verringern, das entsteht, wenn umfangreiche Flächenanteile für einen Single- Mieter oder Großmieter vorgehalten bzw. vermietet werden. Kurzfristig kann Leerstand verringert werden, wenn die Büroflächen kleinteiliger angeboten werden.
Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen baten wir Stephan Winn, Daniel Gerdelmann und Bjørn Polzin von apoprojekt, um Einschätzungen und Meinungen. Die Experten bieten tiefe Einblicke in die aktuellen Markttrends Berlins, die Anforderungen an zukünftige Büroflächen, die Bedeutung von Nachhaltigkeit sowie die Veränderungen im Nutzerverhalten.
Wenn Sie an die Büroflächen der Zukunft denken, was sind die Anforderungen, die an das New Office gestellt werden?
Stephan Winn, Geschäftsführer von apoprojekt:
Dem Büro – während der Pandemie schon fast totgesagt – kommt als zentralen Begegnungsraum eine besondere Aufgabe zu. Wenn es darum geht, soziale Bindungen zu stärken, Werte sichtbar zu machen und eine moderne Unternehmenskultur zu leben. Open Space und Workbench scheinen schick und im Trend und sind dennoch nicht die alleinige Lösung für unsere Herausforderungen. Das Einzelbüro, fast schon als Symbol der Spießigkeit gecancelt, hat in Zukunft wahrscheinlich genauso eine Berechtigung wie der Nap-Room.
Welche Anforderungen ergeben sich aus den ESG-Standards, bzw. den Nachhaltigkeitszielen des Pariser Abkommens?
Daniel Gerdelmann, Leiter ESG & Sustainability von apoprojekt:
Es geht zunächst darum, Gebäude im aktuellen Betrieb zu optimieren. In einem zweiten Schritt sollten Energiesparmaßnahmen ergriffen werden mit dem Ziel, die CO2-Neutralität bis 2045 zu erreichen. Dafür gibt es drei Hebel: Erstens muss die Produktion von Energie etwa durch Photovoltaik oder Rückgewinnung von Abwärme in den Blick genommen werden. Zweitens muss die Anlagetechnik optimiert werden, beispielsweise durch eine intelligente Steuerung und die Reduktion der Vorlauftemperatur. Und drittens müssen Transmissionsverluste an der Gebäudehülle verringert werden.
Welche Herausforderungen ergeben sich bei der Erfüllung von ESG-Kriterien für Bestandsimmobilien im Besonderen?
Daniel Gerdelmann, Leiter ESG & Sustainability von apoprojekt:
Leider sind die gesetzlichen Anforderungen – bestimmt durch nationale und europäische Richtlinien, wie EU-Taxonomie, die EU-Gebäuderichtlinie oder das deutsche Gebäudeenergiegesetz – in vielen Punkten noch nicht final oder unklar formuliert. Das führt aktuell zu Unsicherheit. Daneben stoßen wir beim Thema Wirtschaftlichkeit an Grenzen. Aber auch kleinere, budgetorientierte Maßnahmen können viel bewirken, wie beispielsweise die Installation von LED-Leuchten und Bewegungsmeldern sowie die Effizienzsteigerung der technischen Anlagen. Der Schlüssel zu einer erfolgreichen Revitalisierung, die auch die Energiebilanz eines Gebäudes signifikant verbessert, ist aber die technische Gebäudeausrüstung (TGA).
Wie haben sich Nutzerprofile in den letzten 3 Jahren verändert?
Stephan Winn, Geschäftsführer von apoprojekt:
Das multi-lokale Arbeitsmodell ist gekommen, um zu bleiben: Inzwischen geht es nicht mehr nur um den Zweiklang aus Büro und zuhause. Wir müssen uns nutzerorientiert fragen: Welche Qualität, welche Arbeit schaffe ich von welchem Ort aus? Und: Wie antworten wir individuell auf die sich gleichmäßig verteilten Wünsche der Nutzer – zwischen 1 Tag Büro pro Woche und jeden Tag vor Ort?
Auf der einen Seite müssen Büroräumlichkeiten eine Wohlfühlatmosphäre generieren und Mitarbeitenden einen echten Mehrwert liefern, damit diese gerne dorthin kommen. Auf der anderen Seite muss das Büro leisten, was Arbeitgeber in ihre Unternehmung bringen wollen: Kultur, Werte, Sinnstiftung, Leadership – aber auch konzentrierte Arbeit und kollektiver Wissensaustausch – für all diese Themen bleibt das Büro der wichtigste Ort.
Worauf legen Mieter, Ihrer Meinung nach, besonderen Wert im Vergleich zu früher?
Stephan Winn, Geschäftsführer von apoprojekt:
Wir realisieren zunehmend „Destinations“ – Büros als besondere Orte mit hoher Qualität, an denen man gerne Zeit verbringt. Natürlich muss das Büro als Ort der konzentrierten Arbeit bestehen bleiben und dieser Haupt-Anforderung gerecht werden. Gleichzeitig muss man heute fast schon das Gefühl haben, etwas zu verpassen, wenn man nicht im Büro ist. Natürlich leisten das zum einen die Kolleginnen und Kollegen, die man dort trifft. Zum anderen bekommt das Büro seine Daseinsberechtigung durch eine gesteigerte Qualität und Haptik. Denn: Damit das Büro mit dem Zuhause mithalten kann, muss der Ort besonders hochwertig und wahrnehmbar nachhaltig werden. Insgesamt müssen Büros den Wünschen der Nutzer entsprechen und mit den Anforderungen an Wirtschaftlichkeit verbunden werden. Lösungen für wellbeing und Nachhaltigkeit braucht es also ebenso wie produktive Arbeitsabläufe und modernste Technologie.
Sehen Sie hier eine Trendwende zu den bisherigen Anforderungen?
Stephan Winn, Geschäftsführer von apoprojekt:
Das „neue Normal“ als Zustandsbeschreibung für die Lebens- und Arbeits-Situation nach der Pandemie hat sich nie eingestellt. Im Gegenteil: Flexibilität, Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Attraktivität als Arbeitgeber aber auch Unternehmenserfolg und Produktivität – die Wünsche und Anforderungen sind so zahlreich und divers wie nie zuvor. Dabei gab es das Büro als Ort der Kultur, des Zusammentreffens und der Sinnstiftung schon immer. Corona hat uns nur allen gezeigt, dass konzentriertes – ja teilweise sogar produktiveres – Arbeiten nicht darauf beschränkt ist. Die Akzeptanz und das Verständnis auf Unternehmerseite für den flexiblen Arbeitsort sind gestiegen.
Haben sich Materialien im Bau und im Innenausbau verändert?
Bjørn Polzin, Leitung Planung von apoprojekt:
Leider ändern sich die Materialien langsamer, als die Nachhaltigkeit das erfordert. Das liegt zum einen an der noch geringen Datengrundlage zu ihrer Qualität und Langlebigkeit. Zum anderen sind die Kosten für nachhaltigere Materialien noch sehr hoch – und treffen auf ohnehin stark angestiegene Baupreise. Die durch die EU-Taxonomie anstehenden Anforderungen an Gebäude und Mietflächen sowie die damit einhergehenden Ökobilanzierung führen dazu, dass die Hersteller EPDs (enviromental product declarations) für alle ihre unterschiedlichen Materialien zur Verfügung stellen müssen. Diese sind in der Erstellung über den kompletten Lebenszyklus des Materials aufwendig und teuer.
Trotzdem können es sich gerade große Mieter nicht mehr leisten, ohne Nachhaltigkeitsstrategie zu agieren. Der Fokus verschiebt sich also zunehmend in Richtung Recycling-fähiger Materialien. Das Angebot dieser ist zwar gestiegen, aber die erneute Nutzung von zuvor verwendeten Materialien wird häufig durch Garantie und Gewährleistungsansprüche eingeschränkt und beschränkt sich bedauerlicherweise häufig auf den privaten Markt.
Wie, glauben Sie, verändert Homeoffice die Ansprüche der Mieter ans Büro?
Bjørn Polzin, Leitung Planung von apoprojekt:
Corona und die daraus resultierende hohe Homeoffice-Quote haben viele Mieter und Mittelständler verunsichert. Mittlerweile hat sich aber klar herauskristallisiert, dass bei fast allen gewerblichen Nutzern weniger Büroflächen für Arbeitsplätze benötigt werden. Gleichzeitig sind aber mehr Flächen für „Zusammenkünfte“ und eine Identifikation mit der Firma erforderlich. Dieser Shift spiegelt sich natürlich auch im Wohnsegment, wo ein fester Arbeitsraum nicht mehr wegzudenken ist.
Wir danken apoprojekt für die interessanten Insights!