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6. Juni 2024 | Die Preisentwicklung am Wohn- und Geschäftshausmarkt in Berlin zeigt derzeit ein uneinheitliches Bild, das bei genauerer Betrachtung einige interessante Erkenntnisse offenbart. Laut dem Gutachterausschuss für Grundstückswerte (GAA) sind die Preise für WGH’s im ersten Quartal 2024 nochmals um etwa 11% gesunken, was einen aktuellen Durchschnittspreis von 1.938 Euro/m² ergäbe. Auch der GREIX meldet bei Mehrfamilienhäusern einen Rückgang von 10,5%. Gleichzeitig berichten andere Marktteilnehmer in ihren Wohninvestment-Reports von stabilisierten Preisen.
Bei der Analyse der aktuellen GAA-Zahlen ist Vorsicht geboten. Im Jahr 2023 gab es in den ersten drei Quartalen lediglich zwei Paketverkäufe, während der Rest fast ausschließlich kleinere Transaktionen betraf. 75% der durch Engel & Völkers (E&V) in 2023 gehandelten Objekte lagen im Volumenbereich bis maximal 5 Millionen Euro, nur 5% der Deals überschritten die 10-Millionen-Euro-Marke. Erst im vierten Quartal 2023 wurden wieder eine Hand voll größere Tickets am Markt gehandelt.
Ein Blick auf das erste Quartal 2024 zeigt jedoch eine deutliche Zunahme insbesondere größerer Deals. Der Umsatz stieg insgesamt um 114% im Vergleich zum ersten Quartal 2023, wobei 18% des Transaktionsvolumens im ersten Quartal 2024 im Volumenbereich zwischen 20 und 50 Mio. € stattfanden, 45% in der Ticket-Klasse 50 bis 100 Mio. €.
Auffällig viel Transaktionsvolumen ist in Neukölln zu verorten – etwa 40% des gesamten Umsatzes in den ersten drei Monaten. Somit wurde im ersten Quartal 2024 im Bezirk Neukölln bereits 50% mehr gehandelt als im gesamten Jahr 2023 zusammen. Rund 20% des Umsatzes im ersten Quartal 2024 entfielen auf Lichtenberg. Diese Zahlen deuten stark darauf hin, dass eben sehr große Bestände, die sich vor allem in den Randlagen der zuvor genannten Bezirke finden, verkauft wurden. Nicht selten verfügen diese Objektklassen auch über energetisch einfachere Zustände – beide Aspekte bedingen vergleichsweise niedrigere Quadratmeterpreise.
Solche Deals waren 2023 kaum bis gar nicht zu verzeichnen, weshalb ein Vergleich der nackten Zahlen ohne Kontext zu falschen Schlussfolgerungen führen kann. E&V hat in diesem Jahr bisher rund 40 Transaktionen klassischer Wohn- und Geschäftshäuser (in der Regel bis 20 Mio. € Volumen) begleitet. Legt man hier die entsprechenden Vergleichswerte nebeneinander – vergleichbare Lagen, Altbau zu Altbau, ähnlicher Zustand – lässt sich in den ersten fünf Monaten des Jahres kein weiterer Preisverfall gegenüber 2023 feststellen. Die Preise steigen zwar nicht, fallen aber auch nicht weiter. Die durchschnittlich von E&V erzielten Werte aus 2023 von 2.523 Euro/m² und einem 24,1-fachen Multiplikator gelten auch weiterhin.
Tatsächlich zeigt sich aktuell sogar eine deutliche Nachfragezunahme. Wenn der Angebotspreis stimmt, dauert es in der Regel nur zwei bis drei Wochen, bis ein geeigneter Käufer gefunden und Exklusivität hergestellt werden kann. Gefragt sind insbesondere gutbürgerliche Lagen, klassischer Altbau mit Potenzial, Objekte für „Manage to Green“-Strategien und mit anderen Value-Add-Potentialen. Schwache Randlagen müssen weiterhin preislich attraktiv bleiben. Alle Volumina sind wieder gefragt, da auch wieder deutlich mehr institutionelles Kapital im Markt ist.
Aktuell herrscht gemäß der Beobachtung von E&V ein sehr ausgewogenes Verhältnis zwischen positiven und negativen Marktvorzeichen, was die Schlussfolgerung zulässt, dass die Preise auch weiterhin stabil bleiben werden. Auf der positiven Seite stehen die erwarteten Leitzinssenkungen, die günstig auf die Marktstimmung wirken. Auch die stabilisierten Preise geben Investoren Sicherheit, während die Nachfrage nach Wohnimmobilien wieder deutlich angestiegen ist. Der Bevölkerungszuwachs und die wachsenden Mieten in Berlin, kombiniert mit zu wenig Neubau, werden von 70% der Investoren aktuell als die größte Marktopportunität gesehen.
Andererseits sind die erwarteten Leitzinssenkungen bei den Baufinanzierungen defacto bereits deutlich eingepreist, so dass hier nachhaltig keine deutlichen Konditionsverbesserungen erhofft werden sollten. Daneben sind sowohl erhöhte Bonitätsanforderungen und niedrigere Beleihungswerte bei der Finanzierungsvergabe zu beobachten.
Insgesamt haben die letzten 24 Monate vielen Marktteilnehmern daneben gezeigt, wie anfällig der Markt sein kann, mit weiterhin zahlreichen ungelösten geopolitischen Konflikten und daraus möglicherweise resultierenden exogenen Schocks. Zu erwarten ist darüber hinaus im weiteren Jahresverlauf ein nicht unwesentlicher Angebotsüberhang, bedingt durch die Liquidation von Fonds, Produkten aus Banken-Workouts und weiteren Insolvenzen. Möglicherweise sind auch neue politische Maßnahmen und Eingriffe, z.B. in die Mietpreisgestaltung, zu befürchten. Und nicht zuletzt sind das Thema ESG und die damit verbundenen Capex-Maßnahmen in Verbindung mit den derzeitigen Finanzierungskosten zu beachten.
Ergo: Eine genauere Betrachtung der Marktdaten zeigt, dass es keine generelle Tendenz zu weiteren Preisrückgängen gibt. Vielmehr stellt die aktuelle Marktsituation eine Phase der Stabilisierung dar, in der Angebot und Nachfrage ein ausgewogenes Verhältnis erreicht haben. Es bleibt abzuwarten, wie sich die wirtschaftlichen und geopolitischen Rahmenbedingungen in den kommenden Monaten entwickeln werden, um weiterreichende Prognosen für die Zukunft des Berliner Immobilienmarktes zu treffen.
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