Öffnungszeiten:
Mo - Fr von 9 bis 18 Uhr
Energieeffizienz, Stadtplanung, Baulandgewinnung, Mieterschutz – die Vorhaben, die in den Koalitionsverträgen der neuen Bundes- und der neuen Berliner Landesregierung stehen, wurden wie immer wortreich angekündigt. Es lohnt sich, genauer hinzuschauen.
400.000 neue Wohnungen pro Jahr, so lautet das Kernversprechen der neuen Bundesregierung von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP. Erreichen möchte sie dieses überaus ambitionierte Ziel mit einer ganzen Reihe von unterschiedlichen Maßnahmen, etwa durch mehr Bauland, durch beschleunigte Genehmigungsverfahren und mehr öffentliches Geld. Zur Erinnerung: Die abgelöste Koalition aus Union und SPD scheiterte in den zurückliegenden Jahren schon an der Vorgabe von 375.00 Wohnungen pro Jahr.
Anders in Berlin: Dort möchte der neue Senat, den SPD, Grüne und Die Linke stellen, dass bis 2030 jährlich 20.000 zusätzliche Wohneinheiten auf den Markt kommen. Dieses Ziel ist angesichts des Zuzugs nach Berlin und des großen Wohnraummangels grundsätzlich richtig – doch wie genau die Landesregierung das erreichen möchte, bleibt in weiten Teilen offen. Zwar soll neu gebaut werden, doch bitte am besten nicht auf unbebauten Flächen. Zwar sollen neue Wohnungen durch Aufstockungen entstehen, aber zu hoch bauen möge bitte niemand.
Doch es gibt auch positive Signale für die Immobilienwirtschaft: Nachdem im Wahlkampf die Volksabstimmung „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ einseitig Stimmung gegen professionelle Vermieter gemacht hatte, ist zu hoffen, dass in der Berliner Politik nun wieder Vernunft einkehrt. Offenbar überwiegen zumindest bei der SPD die verfassungsrechtlichen Bedenken, weshalb zunächst eine Kommission die Umsetzbarkeit prüfen soll. Die Folgen des Referendums werden nun allerdings die Mieter spüren, denn es werden wieder Jahre vergehen, bis festgestellt wird, dass die linken Träumereien weder umsetzbar noch bezahlbar sind. Jahre, in denen wohl erneut nicht genug gebaut werden wird.
Das größte Versäumnis aus Berliner Sicht: Rot-Grün-Rot verpasst es auch unter der neuen regierenden Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD), ein gemeinsames Ressort für Bauen und Verkehr zu schaffen. Anders als im Bund – wo es erstmals seit 1998 wieder ein Bauministerium gibt und das Thema Bauen und Wohnen damit die gebührende Bedeutung am Kabinettstisch bekommt – belässt es der Berliner Senat also bedauerlicherweise beim Stückwerk.
Zwar enthält der Berliner Koalitionsvertrag recht detaillierte Umschreibungen der Pläne zu einzelnen Bezirken und Standorten, beispielsweise zur städtebaulichen Entwicklung des Hermannplatzes. Doch ein stadtübergreifender verbindlicher Masterplan lässt sich nicht erkennen. Es ist zu befürchten, dass dieser mangels klarer Zuständigkeiten auch im Laufe der Legislaturperiode nicht ohne Weiteres entstehen wird. Umso wichtiger ist, dass sich sowohl Stadtgesellschaft als auch die Wirtschaft weiterhin aktiv in die politische Diskussion einbringen.
Die Bundesregierung wie auch der Berliner Senat formulieren ihre Ziele als eine Art Aufbruchsprogramm – gerade im Umgang mit dem Klimawandel. Eine der wesentlichsten Entwicklungen der nahen Zukunft droht die Stadt- und Strukturpolitik jedoch zu verpassen: Sowohl die COVID-19-Pandemie als das Streben nach mehr Nachhaltigkeit sind starke Katalysatoren für eine Rückbesinnung der Menschen auf ihr unmittelbares Lebensumfeld und das Viertel, in dem sie leben. In Berlin lässt sich bereits beobachten, dass die Kieze an Bedeutung gewinnen und Top-Adressen eher an Relevanz verlieren.
Dieser Trend wird sich in Zukunft fortsetzen: Der klassische High-Street-Einzelhandel wird den Konkurrenzkampf mit dem Onlineshopping nicht gewinnen können, sondern sich neue Nischen suchen, um einen echten Mehrwert zu bieten. Im selben Atemzug wächst die Bedeutung des inhabergeführten Einzelhandels im unmittelbaren Lebensumfeld – der somit, genauso wie das Arbeiten, im gemischten Quartier wieder näher an die Menschen heranrückt.
Um zukunftsfähig zu sein, müssen sich Städte wie Berlin einmal mehr neu erfinden. Die öffentliche Infrastruktur- und Stadtplanung wird deshalb in Zukunft fast zwangsläufig an Bedeutung gewinnen müssen, um die richtigen Grundlagen für das Wohnen und Arbeiten im digitalen Zeitalter zu legen. Es ist zu hoffen, dass die Politik bald deutlich stärker als bisher den Dialog mit der Wissenschaft, der Wirtschaft und der Zivilgesellschaft sucht – das „Bündnis Bezahlbares Wohnen“, das die neue Bundesregierung plant, könnte ein Schritt in die richtige Richtung sein.
Den gesamten Koalitionsvertrag der Bundesregierung finden Sie hier.
Den Volltext der Koalitionsvereinbarung für das Land Berlin können Sie hier nachlesen.
Öffnungszeiten:
Mo - Fr von 9 bis 18 Uhr