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Steuern: Immobilie jetzt übertragen oder nicht?

Erben wird teurer! Erbschaft- und Schenkungsteuer steigen! Das war in den vergangenen Tagen vielfach in den Medien zu lesen. Ganz so einfach und auch ganz so dramatisch ist das aber nicht. Wir haben den Experten Jürgen Lindauer, Steuerberater bei der KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, befragt und um Aufklärung gebeten.

 Gelsenkirchen
- Jürgen Lindauer, Steuerberater KPMG

Worum es eigentlich geht: Im Rahmen des Jahressteuergesetzes 2022 hat die Bundesregierung Anpassungen im Bewertungsgesetz beschlossen. Das Bewertungsgesetz regelt, wie Vermögensgegenstände, u.a. Immobilien, steuerlich eingeschätzt werden. Die jetzt gemachten Anpassungen betreffen das Ertrags- und Sachwertverfahren zur Bewertung von bebauten Grundstücken sowie die Verfahren zur Bewertung in Erbbaurechtsfällen und Fällen mit Gebäuden auf fremdem Grund und Boden. Ein entscheidender Punkt ist die Erhöhung der Wertzahl im Sachwertverfahren. Sie hebt den Marktwert von Immobilien an, was Einfluss auf die Besteuerung hat. 


Herr Lindauer, wie schätzen Sie die Anpassungen im Bewertungsgesetz ein?

Jürgen Lindauer: Die Folge ist, dass bei gleichbleibenden Steuerfreibeträgen die Erbschaft- und Schenkungsteuerbelastung auf die Übertragung von Immobilien ab 2023 deutlich ansteigen wird. Von dieser Erhöhung sind aber nicht alle Immobilien betroffen. Dies wird momentan in den Presseberichten nicht hinreichend berücksichtigt. Die Änderungen des Bewertungsgesetzes betreffen nämlich nur das Ertrags- und das Sachwertverfahren. 


Bei der Übertragung von Ein- und Zweifamilienhäusern sowie Eigentumswohnungen findet regelmäßig das Vergleichswertverfahren Anwendung. Nur wenn der örtlich zuständige Gutachterausschuss keine Vergleichswerte im Grundstücksmarktbericht zur Verfügung stellt, kommt bei den genannten Immobilien das Sachwertverfahren zur Anwendung. In den meisten Großstädten liegen jedoch regelmäßig Vergleichspreise beziehungsweise Vergleichsfaktoren vor, so dass diese auch herangezogen werden können. Anders sieht es regelmäßig im ländlichen Raum aus, wo mangels tatsächlicher Kauffälle keine Werte von den Gutachterausschüssen abgeleitet werden können.  Hier findet dann auch häufiger das Sachwertverfahren Anwendung. 


Insofern ist bei Ein- und Zweifamilienhäusern sowie Eigentumswohnungen von überstürzten Übertragungen vor dem Jahresende abzuraten, sondern es sollte zunächst geprüft werden, ob sich überhaupt eine Werterhöhung durch die Anpassung des Bewertungsgesetzes ergibt. Auch sollten die derzeit steigenden Finanzierungsaufwendungen und deren Auswirkungen auf die zukünftigen Vergleichswerte nicht außer Acht gelassen werden. Zu beachten ist darüber hinaus, dass auch die Übertragung von Anteilen an Gesellschaften mit Immobilienbesitz von der Werterhöhung erfasst werden kann, da die Änderungen auch Einfluss auf die grunderwerbsteuerliche Bemessungsgrundlage haben können.


Was sollen die gesetzlichen Änderungen eigentlich bezwecken?

Jürgen Lindauer: Bei der unentgeltlichen Übertragung einer Immobilie im Rahmen einer Erbschaft oder Schenkung ist der Verkehrswert zugrunde zu legen. In der Bewertungspraxis werden die Verkehrswerte nach den Regelungen der Immobilienwertermittlungsverordnung, kurz ImmoWertV, ermittelt. Die Bewertung nach den steuerlichen Regelungen fußt auf denen der ImmoWertV. 


Da die ImmoWertV im Jahr 2021 angepasst wurde und hierbei insbesondere das Ertrags- und das Sachwertverfahren Änderungen erfahren haben, waren auch die Regelungen des Bewertungsgesetzes entsprechend zu ändern. Damit soll insbesondere sichergestellt werden, dass die von den Gutachterausschüssen für Grundstückswerte erforderlichen Daten weiterhin bei der Grundbesitzbewertung, für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer sowie der Grunderwerbsteuer sachgerecht angewendet werden können.

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Wie stark werden sich die Immobilienwerte erhöhen?

Jürgen Lindauer: Liegen keine Vergleichswerte vor, sind bei Wohnungen sowie Ein- und Zweifamilienhäusern Werterhöhungen zwischen 20 und 30 Prozent keine Seltenheit. Bei gewerblich oder teilgewerblich genutzten Immobilien droht wegen der sich ändernden Wertermittlung sogar eine noch höhere Erhöhung der Steuerwerte. Ähnlich sieht es auch bei Mietwohngrundstücken wie beispielsweise Mehrfamilienhäusern aus, die nach dem Ertragswertverfahren zu bewerten sind. 


Hat der Gutachterausschuss keinen Liegenschaftszins veröffentlicht, so kommt der gesetzliche Liegenschaftszins zur Anwendung. Bei Mietwohngrundstücken beträgt dieser ab dem Jahr 2023 statt fünf Prozent nur noch 3,5 Prozent. Dies führt zu einem deutlichen Anstieg des sogenannten Kapitalisierungsfaktors und mithin zu Werterhöhungen von durchschnittlich 20 bis 30 Prozent oder sogar mehr.  


Wofür genau werden die Wertzahlen genutzt? 

Jürgen Lindauer: Die Wertzahl kommt beim Sachwertverfahren zum Tragen. Das Sachwertverfahren findet immer dann Anwendung, wenn die eigentlich vorgesehenen Bewertungsverfahren – also das Vergleichswertverfahren für Ein-, Zweifamilienhäuser sowie Teil- und Wohnungseigentum oder das Ertragswertverfahren für Geschäftsgrundstücke – mangels ausreichender Informationen im lokalen Grundstücksmarkt nicht anwendbar sind. 


Nachdem ein vorläufiger Sachwert ermittelt wurde, erfolgt eine Wertanpassung mit einer sogenannten Wertzahl als Marktanpassungsfaktor. Der vorläufige Sachwert wird mit der in Anlage 25 zu Paragraf 191 Absatz 2 im Bewertungsgesetz geregelten Wertzahl multipliziert. Werden im umliegenden Gebiet der Immobilie Häuser für durchschnittlich 120 Prozent des vorläufigen Sachwerts verkauft, so beträgt die Wertzahl 1,2. Wird also diese Wertzahl deutlich erhöht, so erhöht sich auch der steuerliche Wert der Immobilie. Eine Erhöhung von +0,2 Prozent entspricht einem Marktpreisanstieg um 20 Prozent, der für den Sachwert der Immobilie zugrunde gelegt wird.


Welche Erhöhung ist nun beschlossen worden?

Jürgen Lindauer: Die im Jahressteuergesetz vorgesehenen neuen Wertzahlen liegen – je nach Höhe des Bodenrichtwerts bzw. vorläufigen Sachwerts – zwischen +0,2 und +0,4 Prozent über den bisherigen Wertzahlen. Damit drohen erhebliche Steigerungen der Wertansätze der Immobilien im Sachwertverfahren.


Können Sie anhand einer Beispielrechnung verdeutlichen, was der höhere Immobilienwert für einen Erben/eine Erbin bedeuten kann?

Jürgen Lindauer: Wird in einem Beispielsfall ein durchschnittliches Mietwohngrundstück mit vier Wohnungen aus dem Jahr 1992 von Todes wegen am 31. Dezember 2022 von der Mutter auf die Tochter übertragen, so ergibt sich ein steuerlicher Wert von circa 670.000 Euro. Stirbt die Mutter einen Tag später, das heißt am 1. Januar 2023, so erhöht sich dieser Wert aufgrund der Neuregelungen auf circa 990.000 Euro. 


Unter Berücksichtigung eines Freibetrages von 400.000 Euro für die Tochter und eines gesonderten Abschlags für vermietete Wohnimmobilien ergibt sich in 2022 eine Erbschaftsteuer von circa 22.000 Euro und bei Versterben im Jahr 2023 eine Erbschaftsteuer in Höhe von circa 54.000 Euro. Das heißt, die Anwendung des alten Rechts führt zu einem niedrigeren Erbschaftsteuerbelastung von ca. 32.000 Euro.


Was ist Ihr Fazit zu dieser Situation?

Jürgen Lindauer: Mein Fazit ist, wer eine Immobilie auf die nächste Generation übertragen möchte, sollte schnellstmöglich noch prüfen, ob es zu einer Werthöhung kommen wird und dann noch vor Silvester reagieren.  Aber man sollte hierbei nichts überstürzen und auch nicht außer Acht lassen, dass man auch immer einen tatsächlich niedrigeren Verkehrswert gutachtlich nachweisen kann und es Gestaltungselemente wie zum Beispiel den Nießbrauch gibt, so dass auch bei höheren Werten keine oder eine geringe Erbschaft- oder Schenkungsteuerbelastung anfällt. Auch wird derzeit über eine Anhebung der Freibeträge diskutiert, die seit mehr als 13 Jahren nicht angepasst wurden. 


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