Die Innenstädte sind im Wandel. Das alte Vor-Corona-Bild – ein Modegeschäft neben dem nächsten – wird man künftig in deutschen Einkaufsstraßen wohl seltener finden. „Die meisten Einzelhandelsunternehmen, die eine Vielzahl von Filialen betreiben, haben ihre Expansionspläne in der Corona-Pandemie angepasst”, erklärt Sinje-Swala Buschmann, Leiterin der Retail-Sparte bei Engel & Völkers Commercial Hamburg.
Anpassen kann auch Schließen heißen. Eines der extremsten Beispiele: Die niederländische Warenhauskette Hema, die bislang rund 20 Filialen in Nord- und Mitteldeutschland unterhielt, geriet 2020 in Schieflage. „Infolgedessen zieht sie sich nun ganz vom deutschen Markt zurück”, sagt Buschmann.
Das bedeutet auch, eine freie Einzelhandelsfläche in einer 1A-Lage wird künftig nicht mehr nahezu zwangsläufig von einer Schuh- oder Modekette angemietet werden. Zwei Beispiele aus Hamburg: An den Jungfernstieg in Hamburg – aufgrund der Bekanntheit des Straßennamens eine sogenannte Adresslage – ist die Drogerie Rossmann gezogen. Und in der Fußgängerzone Spitalerstraße eröffnete im Jahr 2020 Edeka, nachdem S.Oliver seinen Flagshipstore dort im Jahr zuvor geschlossen hatte.
Ein Lebensmittelhändler mitten in der Shoppingmeile – das hat bislang Seltenheitswert. „Das Sortiment muss ein Betreiber natürlich anpassen”, sagt Buschmann. Ohne fußläufigen Parkplatz wird dort kaum jemand den großen Wochenendeinkauf tätigen. Zielgruppe sind eher Berufstätige, die sich mittags Snacks holen oder auf dem Nachhauseweg schnell noch etwas fürs Abendessen einkaufen. „Aber ein Lebensmittelhändler hat auf jeden Fall seine Daseinsberechtigung in einer Toplage”, sagt Buschmann.
Umfragen zufolge wollen viele Bürgerinnen und Bürger genau das von ihren Innenstädten: ein breites, abwechslungsreiches Angebot, das Handel verschiedener Branchen zusammenbringt, das vielfältige Gastronomie sowie Unterhaltung bietet, im Idealfall sogar noch das Wohnen in der City ermöglicht. Bummeln, einkaufen, sich treffen, etwas erleben – es soll wieder Spaß machen, sich in der Innenstadt aufzuhalten.
Dabei gehe es nicht darum, die Innenstadt aus dem Jahr 2010 wiederherzustellen, so Jürgen Block, Geschäftsführer der Bundesvereinigung City- und Stadtmarketing Deutschland, anlässlich der Vorstellung des Ideenpools Unsere Stadtimpulse. „Es geht vielmehr um die große Aufgabe, die lebenswerte Stadt von 2025/30 zu gestalten.“ Der Ideenpool bietet dafür zahlreiche Anregungen und einen Überblick über Best-Practice-Beispiele für Innenstadt, Handel und städtisches Leben aus ganz Deutschland.
Die neuen Impulse für die Shoppingmeilen begrüßt auch Immobilienexpertin Sinje-Swala Buschmann. „Die Entwicklung eines Branchenmixes mit einem breiter gefächerten Angebot wäre schon einmal ein großer Schritt in die richtige Richtung”, sagt sie. „Das würde Innenstädte postcorona aufleben lassen.”
Eine Patentlösung gibt es natürlich nicht. „Bei jeder Immobilie muss man genau gucken, was möglich ist, und eine individuelle Lösung finden”, sagt die Expertin für Einzelhandelsflächen. Denn so charmant es erst einmal klingt, Wohnungen ins ausgediente Warenhaus zu bauen: Die fehlenden Fenster und tiefen Räume erschweren eine solche Nutzung, weil sie Tageslicht braucht.
Entsprechend hoch ist der Beratungsbedarf bei Mietern und Vermietern in den Innenstädten. In den Gewerbebüros von Engel & Völkers Commercial stehen ihnen dafür erfahrene Immobilienberater zur Seite. (15.7.21)