17. Dezember 2021 | Die Inflation hat im November einen Rekordwert erreicht: Wie das Statistische Bundesamt schätzt, stiegen die Preise von Waren und Dienstleistungen um etwa 5,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Das ist der höchste Wert, den es in der Bundesrepublik seit 29 Jahren gegeben hat. Im Oktober lag die Inflationsrate demnach noch bei 4,5 Prozent, im September bei 4,1 Prozent. Viele Investoren fragen sich zusehends, welche Folgen diese Entwicklung an den Immobilienmärkten haben wird – und ob sie ihre Strategien anpassen sollten. Wir beantworten die wichtigsten Fragen zu den Auswirkungen in der näheren Zukunft.
Haupttreiber für die Preissteigerungen waren zuletzt die Energiepreise, die im Dezember 2021 etwa 22 Prozent höher sind als zur gleichen Zeit im Vorjahr. Weitere Faktoren sind die um 4,5 Prozent teureren Nahrungsmittel und um 2,8 Prozent teureren Dienstleistungen. Wohnungsmieten stiegen im Schnitt um 1,4 Prozent. In der hohen Inflationsrate spiegelt sich zudem vor allem auch die Auswirkung der Corona-bedingten Senkung der Mehrwertsteuer vor einem Jahr wider. Weil diese im Vergleichszeitraum von 16 auf wieder 19 Prozent gestiegen ist, treibt auch dieser einmalige Sondereffekt die Inflation im Jahr 2021 nach oben – 2022 wird er dann nicht mehr wirken.
Wie die Europäische Zentralbank (EZB) längerfristig darauf reagieren wird, bleibt abzuwarten. Eine Zinserhöhung würde die Kreditvergabe verteuern und damit der Inflation entgegenwirken. Doch bisher hält sie sich noch zurück. Das geschieht im Einklang mit ihren währungspolitischen Prinzipien, die auch andere Faktoren berücksichtigen, etwa die konjunkturelle Entwicklung in der Eurozone. Die EZB geht aktuell davon aus, dass die Inflation nur eine vorübergehende und Corona-bedingte Erscheinung ist, die in den kommenden Monaten von selbst verschwinden wird. Das langfristige Ziel, eine sich bei rund 2,0 Prozent einpendelnde Inflationsquote zu erreichen, sieht die EZB derzeit nicht gefährdet. Sie erwartet 2022 eine Inflationsrate von 2,2 Prozent.
Gerade in Berlin tragen steigende Gebäudewerte und Immobilienkaufpreise seit Jahren zur gesamtvolkswirtschaftlichen Inflation bei. Das liegt indirekt an der lang anhaltenden Phase niedriger Zinsen, weil die Nachfrage nach Immobilien aufgrund der niedrigen Renditen in anderen Anlagemodellen, etwa Staatsanleihen, deutlich gestiegen ist. Weil sich Käufer aufgrund der niedrigeren Zinslast höhere Kaufpreise leisten konnten, gewannen die Märkte eine zusätzliche Dynamik. Gleichzeitig ist das Angebot sowohl bei Wohnraum als auch regional im Gewerbemarkt knapp und die Nachfrage sehr hoch.
„Eigentümer sind in einer Inflationsphase tendenziell zögerlich, eine Immobilie zu verkaufen, weil das frei gewordene Geld auf dem Konto durch die Inflation entwertet wird“, sagt Benjamin Rogmans, Leiter Pre Sales und Mitglied der Geschäftsleitung bei Engel & Völkers Commercial Berlin. Dahinter stecke oft auch die Angst, kein geeignetes Reinvestment zu finden. Eigentümer bekamen allerdings historisch fast nie so viel Geld für ihre Immobilie wie heute. Ein Verkauf kann deshalb die richtige Entscheidung sein. „Nach zehn Jahren beispielsweise ist ein Verkauf steuerfrei möglich, wenn eine Immobilie privat gehalten wurde“, erklärt Rogmans. Unter Umständen könnten Eigentümer jetzt einen deutlichen Verkaufsgewinn realisieren und das gebundene Eigenkapital durch einen Verkauf freisetzen, um neu zu diversifizieren und ihr Kapital somit effizienter einzusetzen. Denn Risiken sind nicht auszuschließen: Falls sich die Finanzierungkonditionen durch einen Zinsanstieg veränderten, werde Fremdkapital unter Umständen teurer. In Verbindung mit möglicherweise höheren Eigenkapitalanforderungen würde dies mittelfristig negativ auf die Wertentwicklung wirken.
Für gute Reinvestment-Bedingungen sprechen aktuell die nach wie vor guten Finanzierungskonditionen dank niedriger Zinsen. Immobiliendarlehen mit zehnjähriger Zinsbindung notierten im November 2021 bei gut 1,0 Prozent. Zum Vergleich: Vor zehn Jahren lagen die Zinsen im Mittel bei 4,0 Prozent. Rogmans verweist dabei auf die günstigen Voraussetzungen für einen positiven Leverage-Effekt. Noch sei das Verhältnis aus Zinsen, Kaufpreisen und Mieten gut dafür geeignet, auch mit geringer eigener Liquidität in Immobilien zu investieren und vergleichsweise hohe Eigenkapitalrenditen zu erzielen. „Auf diese Weise lassen sich aus einem Haus zwei machen“, sagt Rogmans. „Der Fremdkapitalhebel lässt sich gut nutzen, so lange die Zinsen so niedrig sind. In drei oder fünf Jahren sind sie es vielleicht nicht mehr.“ Rogmans exemplarisches Fazit für die Bundeshauptstadt: „Berlin wird an Strahlkraft gewinnen, während das Wohnraumangebot knapp bleibt. Immobilien sind unter diesen Voraussetzungen eine sichere Anlage, die Wertsteigerungsaussichten sind auch langfristig gut.“