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Kinderrechte schützen: Ein Gespräch mit der Childhood Foundation

Jedes Kind hat das Recht auf eine beschützte, liebevolle und sichere Kindheit, frei von sexuellem Missbrauch und Gewalt. Dafür setzt sich die World Childhood Foundation seit ihrer Gründung im Jahr 1999 ein. Die Organisation, die von I.M. Königin Silvia von Schweden gegründet wurde, ist mittlerweile in Deutschland, Schweden, den USA und Brasilien vertreten und arbeitet aktuell mit mehr als 60 Partnerorganisationen aus 14 Ländern zusammen. Childhood verfolgt dabei klare Ziele: Die Rechte der Kinder schützen, sexuellen Missbrauch und Gewalt an Kindern vorbeugen und die Lebensbedingungen der Kinder verbessern, die bereits Opfer von Missbrauch oder Misshandlung geworden sind.


Wir haben die Geschäftsführerin von Childhood Deutschland, Dr. Astrid Helling-Bakki, auf ein Gespräch über die Stiftung, ihre aktuellen Projekte und die Eröffnung zwei neuer Childhood-Häuser in Hamburg und Flensburg getroffen.

 Hamburg
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Engel & Völkers Schleswig-Holstein:

Liebe Frau Dr. Helling-Bakki, vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für ein Interview mit uns nehmen! Ihre Stiftung leistet schon seit Jahren Großartiges in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen, die Missbrauch oder sexuelle Gewalt erlebt haben, unter anderem durch verschiedene Projekte zur Prävention und Intervention. Welche Auswirkungen hat die aktuelle pandemische Lage auf Ihre Arbeit?


Dr. Astrid Helling-Bakki:
Sie sprechen es an: Als Stiftung erleben wir tagtäglich verschiedene Facetten und Herausforderungen, bedingt durch die aktuelle pandemische Lage. So nehmen wir als Kinderrechtsorganisation wahr, wie wenig die Rechte, Bedürfnisse und Sorgen der Kinder in dieser Zeit berücksichtigt werden. Das ist sehr bedenklich.

In der Arbeit mit unseren Projektpartnern, die in direktem Kontakt zu Kindern und Jugendlichen stehen, hören wir immer wieder, wie schwierig es sei, die Kinder zu erreichen und wie insbesondere zu Beginn der Corona-Pandemie Hilfswege und Unterstützungen kaum verfügbar- oder aufgrund des Lockdowns nicht erreichbar waren. Dies ist leider nicht nur die persönliche Erfahrung unserer Projektpartner. Auch in den Zahlen, z.B. der polizeilichen Kriminalstatistik, sehen wir eine Zunahme von angezeigten Fällen sexuellen Kindesmissbrauchs und leider auch einen Anstieg der Todesfälle bei Kindern aufgrund von Gewalteinwirkung. Ähnliches zeigt sich bei den jugendamtlich geführten Fällen mit Frage einer Kindeswohlgefährdung, die ebenfalls über die Corona-Zeit zugenommen haben.

Für uns als Stiftung bedeutet das, dass unsere Arbeit leider noch mehr an Brisanz gewonnen hat. Wir müssen uns weiterhin öffentlich für die Rechte der Kinder einsetzen, aber auch die Projektförderung und Unterstützung mit unseren Partnern verstärkt darauf abzielen, Kinder und Jugendliche noch besser zu erreichen, um ihnen zu helfen.

Dazu kommt, dass es natürlich für uns auch nicht einfacher geworden ist Spenden zu generieren und Förderer zu erreichen, da auch die Möglichkeiten dafür in der Pandemie deutlich eingeschränkt wurden. Doch es gilt, ganz einfach gesprochen: umso mehr Spenden wir erhalten, umso mehr können wir für die Kinder erreichen.

Engel & Völkers Schleswig-Holstein:
Viele Projekte setzen Sie auch gemeinsam mit Partnerorganisationen um, wie beispielsweise Wildwasser, eine Beratungsstelle gegen sexuelle Gewalt an Mädchen, oder basis&woge, die mit ihren Projekten gezielt Jungen unterstützen, die von Missbrauch betroffen sind. Welche Kriterien müssen diese Partner erfüllen, um für eine Partnerschaft mit Childhood in Erwägung gezogen zu werden?


Dr. Astrid Helling-Bakki:

Gemeinsam mit anderen Organisationen Verantwortung im Sinne der Kinder zu übernehmen, ist uns bei Childhood sehr wichtig und zu einer unserer großen Stärken zählt, durch viel Knowhow und langjähriger Erfahrung, gute Projektinitiativen zu finden und im Rahmen der Vernetzung neue Impulse setzen zu können. So sehen wir unsere Aufgabe auch darin, mit finanzieller Förderung und inhaltlichem Wissen Projektpartner zu unterstützen, die direkt mit Kindern und Jugendlichen arbeiten.

Praktisch heißt das, dass Organisationen Anträge an Childhood stellen können für Projektförderung und -begleitung. Hierzu steht unser Projektmanagement im engen Austausch mit den Antragstellern und potenziellen zukünftigen Projektpartnern und reflektiert gemeinsam mit einem hochkarätigen Expertenkomitee die Möglichkeiten und Potenziale der Projektideen und die entsprechenden Fördermöglichkeiten seitens der Stiftung. Zuletzt beschließt unser Kuratorium über die Anträge, die dann gefördert und durch unser Projektmanagement begleitet werden. Und ich kann Ihnen verraten, dass unsere Gründerin Königin Silvia von Schweden gerade bei diesen Diskussionen stets mit Herz und viel Engagement dabei ist.

Engel & Völkers Schleswig-Holstein:
Kommen wir nochmal zu Ihren eigenen Projekten zurück – dazu gehören ja zum Beispiel die Childhood-Häuser. Diese gibt es seit 2018 in mehreren deutschen Städten. Erzählen Sie uns gern ein wenig mehr darüber: Was ist das Ziel dieser Einrichtungen und welches Konzept verfolgen Sie dabei?


Dr. Astrid Helling-Bakki:

Die Childhood-Häuser sind wirklich ein Herzstück unserer Arbeit, für das wir aktuell sehr viel Energie aufwenden. Es handelt sich hierbei um multidisziplinäre, behördenübergreifende ambulante Kompetenzzentren für Kinder und Jugendliche, die sexualisierte Gewalt oder Misshandlung erfahren mussten oder bei denen eine solche Vermutung im Raum steht. Sinn und Zweck der Einrichtungen ist es, alle notwendigen Hilfen und für die Klärung notwendigen Maßnahmen unter einem Dach zu bündeln.

Zentral ist hierbei, aus der Perspektive der Kinder und Jugendlichen heraus die Abläufe zu gestalten, in einem Umfeld, in dem sie sich sicher und in all ihren Rechten und Bedürfnissen respektiert fühlen können.

Im Alltäglichen bedeutet das, dass wenn ein Kind Misshandlung erfährt und dies bekannt wird, in einem Childhood-Haus ganz viel an einem Ort erfolgen kann: medizinische Versorgung und forensische Spurensicherung, psychologische Stabilisierung und Beratung, wenn nötig Hilfe und Unterstützung seitens eines Jugendamtes, oder auch polizeiliche- und richterliche Befragungen und Anhörungen – und ganz wichtig ist, dass das eben in kindgerechter Form möglich ist.

Sie merken, dass hier viele verschiedene Aufgaben und Fragen aus verschiedenen Richtungen und von verschiedenen Professionen zusammenkommen. Dies ist nicht nur sehr komplex, sondern auch sehr anstrengend und oftmals belastend für die betroffenen Kinder und Jugendlichen. Daher ist es besonders wichtig, ihnen einen entsprechend sicheren und kindgerechten Rahmen zu geben und ihnen Menschen an die Seite zu stellen, die speziell geschult sind in diesen anspruchsvollen Bereichen.

Vor Ort in den Häusern gibt es eine weitere Besonderheit. Eine sogenannte koordinierende Fachkraft vereint in ihrer Arbeit die Organisation und Koordination aller beteiligten Professionen, ist aber vor allem für das Kind selbst zuverlässig Ansprechpartner:in, Begleitung und Unterstützung.
So kindzentriert und mit allen angesprochenen Bereichen sprichwörtlich unter einem Dach arbeiten zu können, das hat es vor den Childhood-Häusern in dieser Form bisher in Deutschland noch nicht gegeben. Das Konzept hierfür gibt es bereits seit mehr als zwei Jahrzenten in verschiedenen Ländern, beginnend mit den USA und hat sich dann im Rahmen des sogenannten skandinavischen Barnahus (wörtlich übersetzt „Kinderhaus“) weiterentwickelt und in Europa verbreitet. Durch unsere internationale Zusammenarbeit mit unseren Schwesterstiftungen in den USA, Brasilien und Schweden sowie unsere Mitarbeit im europäischen Barnahus-Netzwerk, haben wir uns vor einigen Jahren als Stiftung vorgenommen, diesen so wichtigen und guten Ansatz für die deutschen Strukturen zu initiieren und mit regionalen Projektpartnern als Träger der Childhood-Häuser weiterzuentwickeln.

So konnten wir nun bereits sechs dieser Kompetenzzentren in Deutschland eröffnen, zuletzt gerade am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, und wir freuen uns bereits auf die kommenden Childhood-Häuser, die im nächsten Jahr ihre Arbeit aufnehmen werden.

Engel & Völkers Schleswig-Holstein:
Am 6. Dezember haben Sie ihr jüngstes Haus in Hamburg eröffnet, im Frühling 2022 soll ein weiteres Haus in Flensburg eingeweiht werden. Worauf achten Sie bei der Auswahl Ihrer Standorte? Sind weitere Häuser in Planung?


Dr. Astrid Helling-Bakki:
Die Nachfrage nach Childhood-Häusern ist sehr groß und wir versuchen, allen nachzugehen. Dabei achten wir besonders darauf welche Strukturen und Netzwerke an den interessierten Standorten bereits bestehen und wie Kinderschutz und kindergerechte Justiz dort verstanden werden. Dann versuchen wir mit den Projektpartnern zusammen besser zu verstehen, wo Stärken aber vielleicht auch Lücken bestehen und welche Ressourcen gegebenenfalls inhaltlich, aber auch strukturell für die Umsetzung eines Childhood-Hauses zur Verfügung stehen. Denn auch mit einer Anschubförderung und der inhaltlichen Projektbegleitung durch Childhood ist ein Childhood-Haus eine große Aufgabe und es bedarf eines gemeinsamen verantwortungsvollen Handelns aller beteiligten Institutionen.

Eine wichtige Frage, die wir auch ganz am Anfang schon angehen müssen, ist wie eine mittel- und langfristige Finanzierung inklusive des, für das Konzept notwendige, Personals ermöglicht werden kann. Dafür muss immer wieder auch die öffentliche Hand mit einbezogen werden, um gemeinsam Lösungen zu entwickeln. Erfreulicherweise haben sowohl Hamburg als auch Schleswig-Holstein sich seitens der verantwortlichen Landesbehörden beziehungsweise -ministerien früh und klar dafür ausgesprochen ein solches Best Practice Modell zu unterstützen damit auch nachhaltig in den Strukturen zu verankern.

Doch nicht überall sind diese Fragen gleichermaßen im Fokus der Behörden und Institutionen. Und leider muss man auch sagen, dass das Niveau in Deutschland stark divergiert, hinsichtlich der Strukturen in Kinderschutz und kindgerechter Justiz. Der Boden ist mancherorts geebneter als anderenorts, um ein solches Haus entstehen zu lassen.

Engel & Völkers Schleswig-Holstein:
So kurz vor Weihnachten ist die Spendenbereitschaft bei vielen in der Regel groß. Wie können wir und unsere Leser*innen Ihre Organisation und Projekte unterstützen, finanziell oder gegebenenfalls auch auf andere Weise?


Dr. Astrid Helling-Bakki:

Ganz grundsätzlich möchte ich sagen, es gibt viele Wege zu unterstützen. Doch wir sind klar auf Spenden und Unterstützer angewiesen, denn nur diese ermöglichen, dass wir uns weiterhin als Stiftung für die Kinder stark machen können und gezielt in so wichtige Projekte wie in den Aufbau von Childhood-Häusern investieren können. Ein neues Haus gut auf den Weg zu bringen bedarf in der Regel einer Anschubfinanzierung über zwei bis drei Jahre von mehreren hunderttausend Euro.


Wie setzt sich das zusammen, werden Sie sich vermutlich fragen:
Um Kinder adäquat begleiten zu können, brauchen wir nicht nur einen Ort, der auf Kinder angepasst eingerichtet ist und ihnen einen Schutzraum bietet. Wir müssen auch alle Anforderungen einer spezialisierten medizinischen Befundaufnahme und auch einer technisch hochmodernen Videovernehmungsanlage erfüllen. Wesentlicher Teil ist zudem die Finanzierung des notwendigen spezialisierten Personals und dessen Fortbildung und Qualifizierung, die eben genau auf Kinder und deren besonderer Bedürfnisse ausgerichtet sein muss. Oft ist auch für einen neuen Standort Unterstützung dabei gefragt, überhaupt eine für die Umsetzung passende und finanzierbare Immobilie zu finden.

Im Sinne der Kinder, bin ich auch ganz uneitel, an dieser Stelle zu erwähnen: Wenn Sie spenden möchten, freuen wir uns über jede Zuwendung: https://www.childhood-de.org/spenden/

World Childhood Foundation Deutschland, Schwäbische Bank
IBAN: DE96 6002 0100 0000 0022 22, BIC: SCHWDESS


Jede finanzielle Unterstützung hilft. Unterstützend ist es aber auch, über Gewalt und Misshandlung an Kindern zu sprechen und sich bewusst zu machen, dass diese jeden Tag passieren. Allein in Deutschland geht die Weltgesundheitsorganisation davon aus, dass in jeder Schulklasse statistisch gesehen ein bis zwei Kinder von sexualisierter Gewalt betroffen sind. Ein erster Schritt ist es, davor nicht die Augen zu verschließen, sondern sich zu überlegen, wie wir alle die Welt für diese Kinder zum Besseren verändern können.

Wichtig für uns als Stiftung ist dabei, dass Menschen aber auch Unternehmen uns über einen längeren Zeitraum begleiten, unterstützen und sich für das Thema stark machen. Die Strukturen verändern sich nicht in einem Tag, aber gemeinsam können wir den Kinderschutz nachhaltig verändern.

Engel & Völkers Schleswig-Holstein:
Liebe Frau Dr. Helling-Bakki, herzlichen Dank für Ihre Zeit und für das Gespräch! Wir wünschen Ihnen viel Erfolg bei Ihren bevorstehenden Projekten und eine schöne Weihnachtszeit!


Dr. Astrid Helling-Bakki:

Ich danke Ihnen und wünsche Ihnen eine harmonische Weihnachtszeit und einen schwungvollen Start ins neue Jahr.


Du möchtest mehr erfahren? Hier geht's zur Website der Childhood Foundation.

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Engel & Völkers
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