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Baurecht im Wandel: Was die neuesten Gesetzesänderungen für die Immobilien- und Baubranche bedeuten

6. März 2024 | Aktuelle Änderungen der Bauordnung und des Baugesetzbuchs sollen Bau- und Genehmigungsprozesse beschleunigen und die Effizienz im Wohnungsbau erhöhen. Sie stellen Investoren vor neue Herausforderungen, bieten aber auch Chancen zu einer einfacheren Umsetzung von Projekten. Um das Dickicht der Gesetze zu lichten, haben wir Dr. Mathias Hellriegel, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verwaltungsrecht in Berlin darum gebeten, in einem Webinar über den aktuellen Stand zu informieren. Das Interesse war groß: Fast 500 Personen folgten seinen Ausführungen. Hier fassen wir die wichtigsten Punkte zusammen.


Update Vorkaufsrecht

Vor mehr als zwei Jahren hatte das Bundesverwaltungsgericht die Berliner Vorkaufsrechtspraxis für rechtswidrig erklärt. Viele Erwerber fragten sich daraufhin, ob die Abwendungsvereinbarungen, welche die Anwendung des Rechts vermeiden sollten, noch wirksam sind. Nach widersprüchlichen Entscheidungen verschiedener Kammern entschied der 2. Senat beim Oberverwaltungsgericht im Sommer 2023 in einem konkreten Fall, dass die abgeschlossenen Vereinbarungen kündbar sind. Es ist also ratsam, an bereits ausgesprochenen Kündigungen festzuhalten oder diese vorzunehmen.


Das Vorkaufrecht selbst existiert weiterhin und kann in verschiedenen Fällen zur Anwendung kommen: bei Baulücken, Fehlnutzungen in Milieuschutzgebieten oder bei Leerstand. Es greift auch, wenn das Bezirksamt entscheidet, dass schwere Mängel an der Immobilie gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse verhindern.


Update Zweckentfremdungsgesetz

Wer bestehenden Wohnraum abreißen möchte, benötigt eine zweckentfremdungsrechtliche Abrissgenehmigung. Diese wurde in der Vergangenheit nur dann erteilt, wenn der geschaffene Ersatzwohnraum einer Mietpreisbindung unterliegt. 2023 hat das Oberverwaltungsgericht die Mietobergrenze von 9,17 Euro pro Quadratmeter für unwirksam erklärt. In seiner Begründung argumentierte das Gericht, dass Faktoren wie Lage oder Ausstattung Berücksichtigung finden müssen.


Ein gängiger Weg in der aktuellen Situation sind Verhandlungen mit den Wohnungsämtern darüber, was angemessener Ersatzwohnraum ist und zu welchen Konditionen er vermietet werden kann. Dabei berufen sich die Besitzer in der Regel auf den Preis, zu dem der abgerissene Wohnraum bei einer Komplettsanierung auf dem freien Markt vermietet werden könnte. Die Wohnungsämter möchten dieser Argumentation jedoch bislang nicht folgen, da es von der Senatsverwaltung noch keine Direktive gibt, die die Umsetzung der rechtlichen Bewertungen in der Praxis ermöglichen würde.


Novelle der Bauordnung 2023

Noch für dieses Jahr wird eine große Novelle der Bauordnung erwartet. Berlin hat bereits einige geplante gesetzgeberische Maßnahmen vorgezogen, die seit Oktober 2023 gelten: Genehmigungen für Dachausbauten und Aufstockungen wurden vereinfacht oder für bestimmte Fälle abgeschafft. Verschiedene Vorhaben wie die Installation von Photovoltaik-Anlagen sind nun unter bestimmten Umständen genehmigungsfrei. Zudem wurden Fertigstellungsfristen aufgeweicht. Beim Zweckentfremdungsrecht ist die Doppelprüfung entfallen und nur noch ein Genehmigungsverfahren erforderlich.


Auch sieht die Bauordnung nun Typenbaugenehmigungen vor. Damit müssen für gleiche Gebäudetypen, die an verschiedenen Stellen errichtet werden sollen, keine mehrfachen Baugenehmigungen mehr eingeholt werden. Allerdings müssen trotzdem die spezifischen planungsrechtlichen und Brandschutzvorschriften vor Ort erfüllt werden, sodass es auch beim Typenbau nicht bei einer einzigen Prüfung bleibt.


Neben Verfahrensvereinfachungen bringt die Novelle jedoch auch Verschärfungen mit sich: So verpflichtet sie, die Belange der „Baukultur“ zu beachten, denn Bauvorhaben sollen einen Beitrag zur kulturellen und sozialen Qualität des städtischen Lebens leisten. Die genaue Bedeutung des Begriffes „Baukultur“ bleibt indes im Unklaren. Genehmigungsverfahren werden so mit einem unbestimmten Rechtsbegriff belastet. Das kann dazu führen, dass insbesondere große Bauvorhaben zur Beratung in das Baukollegium verwiesen werden.


Verschärfungen betreffen auch Dachbegrünungen und die barrierefreie Nutzbarkeit von Wohnungen. Auch müssen Wohnungen jetzt über Kaltwasserzähler verfügen, es sei denn, die Installation kann nur mit einem unverhältnismäßig hohen Mehraufwand erfüllt werden. Weitere neue Regelungen technischer Art betreffen das Bauproduktenrecht und die Bauvorlagenberechtigung.


Novelle der Bauordnung 2024

2024 sind weitere Änderungen an der Bauordnung geplant. Unter anderem sollen durch die Förderung von seriellem und modularem Bauen Bauzeiten verkürzt und Kosten gesenkt werden. Auch die Einführung des Gebäudetyps E hat zum Ziel, das Bauen unkomplizierter, schneller und kostengünstiger zu gestalten, da mit ihm Wohnungsbauprojekte von gängigen Standards abweichen können.


Schneller-Bauen-Gesetz

Das „Schneller-Bauen-Gesetz“ ist ein weiteres Vorhaben des Berliner Senats, um die Planungs-, Genehmigungs- und Bauprozesse in der Stadt zu beschleunigen. Ursprünglich sollte das Gesetz im Februar 2024 verabschiedet werden, jedoch liegt bislang noch kein Entwurf vor. Zu den geplanten Maßnahmen gehören die Einführung von Bauantragskonferenzen für größere Bauvorhaben und die Unterstützung der Bezirke bei der Anwendung von Befreiungen und im Umgang mit Abstandsflächen. Ziel ist es, die Bauplanung und den Bau neuer Wohnungen durch verkürzte Fristen, vollständig digitalisierte Verfahren und eine bessere Abstimmung zwischen Bauherren und Behörden deutlich zu beschleunigen. Die Maßnahmen sollen gehen mit einer Erweiterung des Aufgabenbereiches der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung einhergehen, sodass sie die vollständige Zuständigkeit bei Bebauungsplänen mit gesamtstädtischer Bedeutung erhält.


Bau-Turbo und Novelle des Baugesetzbuchs

Der Berliner Baunutzungsplan von 1960/61 sieht für Tiergarten, Charlottenburg-Wilmersdorf, Tempelhof-Schönenberg und Kreuzberg eine Geschossflächenanzahl von 1,5, eine Überbauung von höchstens 30 Prozent der Grundstücksfläche und ein Maximum von fünf Geschossen vor. Diese den städtebaulichen Idealen der Nachkriegszeit verpflichteten Einschränkungen machen oftmals umfassende Befreiungen vom Baunutzungsplan notwendig. Dieser Praxis hat das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg mit einem Urteil vom Februar 2023 einen Riegel vorgeschoben, da hierbei die Grundzüge der Bauplanung betroffen sind und die Vorhaben, beispielsweise Dachaufstockungen, beliebig reproduzierbar sind. Damit sind sie keine Einzelfälle, was jedoch Voraussetzung ist, um eine Befreiung nach dem Baulandmobilisierungsgesetz zu erreichen.


Mit großer Spannung wird deswegen die Revisionsentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts erwartet, die am 19. März 2023 verkündet werden soll. Es wird davon ausgegangen, dass die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg keinen Bestand haben wird und der Baunutzungsplan aufgehoben wird, was den Weg für mehr Bauaktivitäten ebnen würde.


Die Novellierungen sind Teile des „Bau-Turbo-Pakts für Deutschland“, einer Initiative der Bundesregierung und der Bundesländer, um den Wohnungsbau in Deutschland anzukurbeln.


Dabei hat der vorgeschlagene Paragraf 246e des Baugesetzbuchs (BauGB) zum Ziel, in Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt eine beschleunigte Realisierung von Bauvorhaben zu ermöglichen. Von besonderer Bedeutung ist die befristete Sonderregelung deshalb, da sie Gemeinden erlaubt, unter bestimmten Bedingungen von den Vorschriften des BauGB abzuweichen. Das schließt die Möglichkeit ein, dass Gemeinden auf einen Bebauungsplan verzichten.


Kritiker sind der Ansicht, dass der Paragraf etablierte Planungskulturen und demokratische Beteiligungsprozesse gefährdet. Auch bedrohe der Verzicht auf Bebauungspläne die kooperativen Baulandmodelle. Bei ihnen kompensieren Projektentwickler die Wertsteigerung ihres Grundstücks durch die Schaffung günstigen Wohnraums, sozialer Einrichtungen oder die Finanzierung von beispielsweise Grundschulplätzen. Gegner der Einführung warnen, dass durch den Paragrafen die soziale Gerechtigkeit und die Qualität der städtischen Entwicklung in Gefahr sei.

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