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ESG-Kriterien werden zukünftig Finanzierungsanfragen und Kreditentscheidungen maßgeblich beeinflussen

Im Interview mit Dr. Andreas Baltrusch, Geschäftsführer von REEVALUE, besprechen wir den ESG-Komplex in der Immobilienwirtschaft.

28. November 2023 | Als promovierter Wirtschaftsingenieur und ehemaliger Investment- sowie Assetmanager bringt Herr Baltrusch eine tiefgreifende Expertise in Sachen Gebäudeenergieeffizienz und ökologischer Nachhaltigkeit mit. Heute unterstützt er als Geschäftsführer von REEVALUE Immobilieneigentümer und Investoren dabei, die Chancen der Energieeffizienzvorschriften zu nutzen und den Herausforderungen des GEG und der BEG zu begegnen.


Wie lässt sich das umfassende Konzept von ESG in der Immobilienbranche richtig begreifen und anwenden?


Baltrusch: Das Thema ESG und alles, was damit zusammenhängt, taucht wirklich seit einigen Jahren und vor allem seit einigen Monaten konstant in der Presse und allen möglichen Diskussionen auf. Und trotz der ganzen Presseschau rund um dieses Thema wurde meiner Meinung nach das Konzept meist noch nicht richtig erfasst, und viele Unternehmer der Immobilienwirtschaft, als auch Privatleute stellen sich die Frage, ob sie eigentlich überhaupt etwas unternehmen müssen und wenn ja, was denn genau. Denn eine ESG-Nachhaltigkeit im Sinne der Taxonomie-VO (2020/852) umfasst deutlich mehr Aspekte als Klimaschutz und CO2-Reduzierung.


Diese Aspekte bilden eigentlich nur eine der drei Säulen, die eben unter Environmental, Social und Governance das Gesamtkonstrukt ESG ausmachen. Trotzdem ist der Environmental, also der Umweltaspekt sicherlich der, der den größten Einfluss auf den Immobilienmarkt hat und auch in Zukunft haben wird.


Wie wird sich diese Fokussierung auf den Umweltaspekt seitens der EU und der Marktteilnehmer auf den gesamten Immobilienmarkt auswirken?


Die EU-Planungen im Klimaschutz drehen sich vor allem um das große Ziel, bis 2050 der erste klimaneutrale Kontinent zu werden. Dies wurde im Green Deal aus 12/2019 beschlossen. Dies soll vor allem durch eine Reduzierung des Primärenergiebedarfs (Taxonomie-Konformität) geschehen. Das ist eine äußerst engagierte Zielsetzung, und die Auswirkungen auf den Immobilienmarkt werden sicherlich spürbar sein.


Letztendlich wird es unumgänglich sein, dass ESG-konforme Immobilien in Zukunft primär gegenüber nicht ESG-konformen Objekten von Anlegern und Käufern nachgefragt werden. Dies wird auch zu einer wachsenden Preisschere zwischen als nachhaltig klassifizierten und eben nicht nachhaltigen Immobilien führen.


Sie haben bereits erwähnt, dass eine gewisse Verwirrung vorherrscht, wer denn überhaupt von diesen EU-Vorgaben betroffen ist – Können Sie da Abhilfe schaffen?


Ich sehe auf jeden Fall das Problem, dass viele Akteure auf dem Immobilienmarkt sich noch gar nicht von dieser Thematik betroffen fühlen. Vor allem jene Akteure, die vielleicht gar nicht primär mit dem direkten Immobilienhandel zu tun haben. Allerdings wurde beispielsweise durch eine umfassende Deloitte-Studie gezeigt, dass wirklich alle Akteure in der Wertschöpfungskette einer Immobilie in Zukunft in gewisser Weise von dieser Thematik betroffen sind.


Also der Zulieferer, der Verwalter und auch die kleinen oder mittelständischen Vermieter mit einem oder ein paar Mehrfamilienhäusern sind ebenso in diese Thematik miteingebunden wie die größten Immobiliengesellschaften des Landes.


Also sind auch private Eigentümer einer Immobilie betroffen – also der klassische Fall der Eltern, die ihren Kindern vielleicht eines Tages mal das Eigenheim vererben wollen?


Genau, selbst private Eigentümer werden spätestens bei einem möglichen Objektverkauf mit der ESG-Thematik konfrontiert. Besitzer eines Einfamilienhauses müssen sich vielleicht nicht um eine Fonds-Konformität sorgen, sollten sich aber schon bald die Frage stellen, wie „enkeltauglich“ ist denn eigentlich meine Immobilie.


Der Blick auf den Farbstrahl des Energieausweises und die eigene Platzierung darauf wird immer wichtiger. Ich denke zwar, dass wahrscheinlich jedes Haus irgendwann immer einen Käufer findet, der Preis kann von diesen Kriterien aber maßgeblich beeinflusst werden, insbesondere wenn sich die Immobilie eben nicht nach den neuesten Kriterien richtet.


Das Ziel der EU und auch der deutschen Regierung, den Gebäudebestand auf ein energetisch hochwertiges Level zu heben, bedeutet dann zwangsweise Sanierungen vorzunehmen. Wer ist hier zum Handeln gezwungen?


Ein echter Sanierungszwang für Immobilien ergibt sich aus der EU-Gebäuderichtlinie (EPBD), die den Rahmen für die nationale Gesetzgebung vorgibt. Hier besteht das Motto „worst first“, was bedeutet, dass die hinsichtlich ihrer Energieeffizienz am schlechtesten bewerteten 15 Prozent des EU-Gebäudebestands bis 2030 saniert werden müssen.


Konkret sollen Wohngebäude, die aktuell mit der schlechtesten Energieeffizienzklasse G bewertet sind, im Jahr 2030 mindestens die Klasse F und im Jahr 2033 mindestens die Klasse E erreichen. Hier muss man noch anführen, dass diese Klassifizierungen EU-weit nicht einheitlich sind, also ein G in Deutschland entspricht nicht zwangsweise einem G in den Niederlanden, was den gesamten Prozess natürlich nicht unbedingt vereinfacht.


In Deutschland hat vor allem das sogenannte Heizungsgesetz medial für Aufsehen gesorgt – was wurde in diesem jetzt eigentlich genau beschlossen?


Aufgrund der EU-Gebäuderichtlinie sind die Mitgliedsstaaten gezwungen, auf nationaler Ebene zu reagieren. In Deutschland geschieht dies nun durch die Novelle des Gebäudeenergiegesetzes (GEG), eben auch Heizungsgesetz genannt. Dieses besagt grundsätzlich, dass ab 2024 jede neu eingebaute Heizung zu 65 % mit Erneuerbaren Energien betrieben werden muss – in Neubaugebieten greift diese Regel direkt ab dem 1. Januar.


Für bestehende Gebäude und Neubauten außerhalb von Neubaugebieten gibt es aber einige Übergangsfristen. Diese sollen innerhalb der kommunalen Wärmeplanung geregelt werden. Die einzelnen Ausnahmeregelungen und Übergangsfristen aufzuzählen, würde jetzt den Rahmen sprengen. Man kann aber vor allem als Privatperson dahingehend beruhigt sein, dass bestehende Öl- und Gasheizungen zunächst weiter betrieben und bei einem Defekt auch noch repariert werden dürfen.


Erst bei einem vollständigen Defekt einer über dreißig Jahre alten Erdgas- oder Ölheizung dürfen diese bis zum 30. Juni 2026 auch noch durch eine neue Öl- und Gasheizung ausgetauscht werden, wobei hier allerdings auch die Zuhilfenahme eines Energieberaters Pflicht ist.


Die Bundesregierung hat auch versprochen, die Energiewende durch einige Fördermöglichkeiten voranzutreiben. Wie sehen diese Fördermöglichkeiten aus und wer hat darauf einen Anspruch?


Die Förderungen sind in der Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG) festgehalten. Auch dies ist mitunter ein komplexes Thema. Grundsätzlich lässt sich aber festhalten, dass die Förderungen zur energetischen Gebäudesanierung ausgedehnt und zunächst erhöht wurden, es ist allerdings noch unklar, für wie lange die aktuellen Regelungen gelten. Das Prinzip ist hier ähnlich dem Sanierungszwang, also die Gebäude mit der schlechtesten Energieeffizienz, welche auch möglichst schnell saniert werden sollen, bekommen grundsätzlich die meisten Förderungen.


Wie diese genau aussehen, hängt dann von vielen Faktoren ab. Es empfiehlt sich daher, einen individuellen Förder-Fahrplan (iSPF) von einem Energieeffizienzberater erstellen zu lassen. Die Erstellung dieser iSPF wird auch von der Regierung gefördert. In diesem Fahrplan wird dann eine umfassende Bestandsanalyse durchgeführt und darauf abgestimmt eine individuelle Schritt-für-Schritt-Empfehlung aufgezeigt, welche Sanierungsmaßnahmen vorgenommen werden könnten.


Der Aspekt individuell ist hier für mich besonders wichtig, denn in erster Linie sollte es um die eigenen Ziele gehen: Was will man selbst mit seinem Gebäude erreichen und was ist man bereit oder auch in der Lage zu bezahlen. Es geht nicht darum, sein eigenes Haus mit den modernsten Technologien auf Hochglanz zu trimmen, sondern auf die eigenen Ansprüche abgestimmte und energetisch sinnvolle Maßnahmen umzusetzen. Als Immobilieneigentümer kann man sich aber sicher sein, dass der durchschnittliche Wohngebäudebestand viel Optimierungspotenzial hat und wie ich bereits erwähnt habe, dies einen maßgeblichen Einfluss auf die zukünftige Objektbewertung haben wird.


Wenn Sie vielleicht den aus Ihrer Sicht wichtigsten Gedanken auf den Punkt bringen sollten, welcher wäre das?


Als Fazit sollte man mitnehmen, dass ESG-Kriterien bereits jetzt und in Zukunft noch verstärkt die Kapitalströme dahin lenken, was als nachhaltig deklariert ist. Die Energieeffizienz eines Gebäudes wird zukünftig Finanzierungsanfragen und Kreditentscheidungen maßgeblich beeinflussen, und dabei werden alle Immobilien-Akteure miteingeschlossen. Und auch wenn diese ganze Thematik sehr umfassend und mitunter verwirrend erscheint, so will ich doch alle Immobilieneigentümer ermutigen, sich einen individuellen Sanierungsförderungsplan erstellen zu lassen.


Dabei handelt es sich um ein gutes Instrument für mehr Transparenz, Klarheit und kann zu einer zentralen Entscheidungsgrundlage werden, ob und wie der Weg aussehen kann, die eigene Immobilie fit für die Zukunft zu machen – denn meiner Meinung nach zählt bald nicht mehr nur die alte Immobiliendevise Lage, Lage, Lage – sondern Lage, Lage, Energieeffizienz.


Mehr Infos zum Thema gibt es hier: https://reevalue.de/

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