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70 Prozent der privaten Bauträger und Wohnbauentwickler sehen Reformbedarf beim Berliner Modell der kooperativen Baulandentwicklung. Lediglich 37 Prozent der Unternehmen geben an, Wohnprojekte nach dem Berliner Modell aktuell zu planen oder zu realisieren. Das geht aus einer Online-Umfrage hervor, die das Beratungsunternehmen RUECKERCONSULT gestern im Rahmen einer Veranstaltung präsentiert hat. Instone Real Estate, Engel & Völkers und RUECKERCONSULT hatten Gäste aus Politik und Immobilienwirtschaft zum „Berliner Abend: Politik trifft Immobilie“ geladen.
Im Fokus des Abends stand die Frage: Schafft das Berliner Modell der kooperativen Baulandentwicklung den dringend benötigten Wohnraum in der Hauptstadt? Darüber diskutierten vor rund 150 Gästen Grit Schade, Leiterin der Wohnungsbauleitstelle des Landes Berlin, Bezirksbürgermeister Oliver Igel (SPD), Carsten Sellschopf (Instone Real Estate), Peter Jorzick (Hamburg Team Projektentwicklung) und Architekt Tim Heide (Heide & von Beckerath) unter der Moderation von Michael Fabricius (Welt).
Grit Schade, Leiterin der Wohnungsbauleitstelle des Landes Berlin, zog eine positive Bilanz aus fünf Jahren seit Einführung des Berliner Modells: „Das Berliner Modell der kooperativen Baulandentwicklung hat in den vergangenen fünf Jahren ein einheitliches Verwaltungshandeln beim Abschluss städtebaulicher Verträge in Berlin etabliert. Damit bestehen Transparenz und Kalkulierbarkeit bezüglich der Leistungen, Kosten und Bindungen, welche das Land Berlin bei der Schaffung von Planungsrecht für Wohnungsbauvorhaben regelmäßig von den Vorhabenträgern einfordert“, sagte Schade, die an dem Abend kurzfristig für Senatorin Katrin Lompscher einsprang.
Die Unternehmensvertreter machten in der Diskussionsrunde deutlich, wo sie Nachbesserungsbedarf sehen: „Das Berliner Modell hat im Einzelnen auch Erfolgsprojekte wie den Luisenpark in Berlin-Mitte hervorgebracht, den benötigten Wohnraum der Hauptstadt kann es aber nicht allein schaffen. Gegenwärtig vernachlässigt das Modell vor allem die Mittelschicht“, sagte Carsten Sellschopf, COO der Instone Real Estate. In der Umfrage sind 85 Prozent der befragten Unternehmen der Ansicht, das Berliner Modell schaffe keinen bezahlbaren Wohnraum für die mittlere Einkommensschicht. Stattdessen bringe es Wohnungen für einkommensschwache Haushalte (preisgebundener Anteil) und einkommensstarke Zielgruppen (frei finanzierter Anteil) hervor.
Peter Jorzick, Geschäftsführender Gesellschafter des Projektentwicklers Hamburg Team: „Durch die wirtschaftlich erforderliche projektinterne Quersubventionierung des Anteils des sozialen Wohnungsbaus steigt der Preis für die frei finanzierten 70 Prozent. Es wäre erforderlich, ein kostendeckendes Förderprogramm des Landes Berlin bereit zu stellen, das dafür Sorge trägt, dass der quer zu subventionierende Anteil kleiner wird.“ Tim Heide, Architekt und Partner im Büro Heide & von Beckerath sprach die Abgabe für Infrastrukturleistungen an, zu der sich private Investoren im Rahmen des Berliner Modells verpflichten: „Es sollte genauer festgelegt werden, in welche Art und welche Form von Infrastruktur die privaten Mittel fließen“, sagte er. Nur so ließen sich die Potenziale einer intelligenten Verdichtung der Stadt nutzen und Qualität schaffen.
Ein weiteres Ergebnis der Online-Umfrage: Für die Bauträger und Entwickler gewinnen das benachbarte Brandenburg und andere Regionen an Attraktivität. Sollte das Berliner Modell unverändert fortbestehen, wollen sich 52 Prozent bei Wohnprojekten nach Brandenburg und 44 Prozent in andere Regionen orientieren. Als Grund ins Umland zu gehen wird die Verfügbarkeit kostengünstigeren Baulands genannt – aber auch „mehr politische Unterstützung“ und „schnellere Baugenehmigungen“. Hier sieht Oliver Igel seinen Berliner Bezirk gut aufgestellt: „Mit insgesamt 2.873 erteilten Baugenehmigungen für Wohnungsbau im Jahr 2018 liegt Treptow-Köpenick berlinweit im Spitzenfeld. Um die Genehmigungszeiten weiter zu verkürzen, haben wir in der Abteilung Bauen und Stadtentwicklung im vergangenen Jahr neun Mitarbeiter eingestellt. Vier neue Stellen sind zurzeit ausgeschrieben, insgesamt sieben zusätzliche Stellen wurden für 2019 bewilligt“, sagte Igel.
Bei der Entwicklung der Baulandpreise ist dagegen keine Entspannung in Sicht. „Die Tatsache, dass viele Bauträger künftig eher im Umland bauen, zeigt, dass das Berliner Modell mit der Entwicklung der Grundstückspreise und der Verfügbarkeit von baureifen Grundstücken in Berlin kollidiert“, sagte Rainer Schorr, Geschäftsführer von PRS Family Trust am Rande der Veranstaltung. „Hier muss Entlastung beispielsweise durch die bessere Erschließung von Stadtrandlagen geschaffen werden.“
Die kurzfristige Absage von Katrin Lompscher wurde von vielen Veranstaltungsteilnehmern missbilligt. „Es wäre wünschenswert, wenn sich die Senatorin zeitnah zur absehbar rückläufigen Bautätigkeit äußert“, sagte Lutz Ackermann, Mitglied der Geschäftsleitung bei Rueckerconsult. „Wir haben ihr die Umfrageergebnisse zukommen lassen und erwarten ihre Stellungnahme.“
Für die Online-Umfrage von RUECKERCONSULT wurden 270 Entscheidungsträger und Projektverantwortliche von Bauträgern, Projektentwicklern und Planern in Berlin angeschrieben. Die teilnehmenden Unternehmen haben insgesamt rund 16.000 Wohnungen in Berlin im Bau oder in Planung. Die Umfrage enthielt 14 Fragen über Erfahrungen, Anwendung, Auswirkungen des Berliner Modells der kooperativen Baulandentwicklung.
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