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Transparenz statt ESG-Risiko für Immobilien-Entscheider

Im Interview: Julian Kriesel, geschäftsführender Gesellschafter bei SedaiNow

18. September 2023 | Für Immobilieneigentümer und auch für diejenigen, die Objekte kaufen wollen, werden ESG-Themen immer wichtiger. Wie gut oder schlecht ein Objekt diesbezüglich dasteht, beeinflusst im immer stärkeren Ausmaß den Wert. Entscheider benötigen diesbezüglich Informationen. SedaiNow hat deshalb eine Software für die Berücksichtigung von ESG-Daten für die Immobilienbewertung entwickelt. Kunden von Engel & Völkers profitieren von einer strategischen Kooperation dieser beiden Unternehmen.


E&V: Wer ist SedaiNow und was bieten Sie an?


Julian Kriesel: Wir haben eine Software entwickelt, mit der Immobilienentscheider ESG-Themen auch bei schlechter Datenlage berücksichtigen und somit ihr Handlungsrisiko signifikant reduzieren können. Damit füllen wir eine Transparenzlücke, die derzeit für große Unsicherheit sorgt.


Nehmen wir folgende Ausgangssituation: Ein Immobilieneigentümer eines Wohn- und Geschäftshauses (WGH) überlegt, ob er sein Objekt verkaufen sollte. Für eine realistische Bewertung benötigt er eine verlässliche Einschätzung, inwiefern die Immobilie nachhaltige Kriterien einhält und wie sich dies auf den Wert auswirkt. Folgende Daten liegen dem Entscheider grundsätzlich immer vor: Baujahr, Nutzungsart, Standort und Fläche. Diese gibt er auf unserer Plattform ein. Sämtliche vorliegenden Informationen zum Beispiel aus einem Energieausweis können zur Erhöhung der Genauigkeit ebenfalls eingetragen werden, sind aber nicht zwingend.


Doch wir wissen um die Problematik, dass in vielen Fällen aktuelle Verbrauchsdaten etwa von Mietern mit einer Gasetagenheizung überhaupt nicht oder nur unter sehr schwierigen Bedingungen zu beschaffen sind. Deshalb haben wir unsere Software mit einer Fülle an statistischen Daten etwa zu Baustandards und Energieverbrauchswerten gefüttert. Diese statistischen Werte ergänzen die eingegebenen Daten, sodass wir damit dennoch eine recht erkenntnisreiche ESG-Auswertung liefern können. Abgebildet wird darin zum Beispiel die positive oder negative Abweichung des Objekts bezüglich des 1,5-Grad-Ziels des Pariser Klimaabkommens. Diese Transparenz reduziert die Unsicherheit und Risiken für den Entscheider.


Engel & Völkers-Kunden profitieren dank unserer engen Zusammenarbeit von speziellen Konditionen: Sowohl potenzielle Verkäufer als auch Käufer können im Rahmen der Marktpreisermittlung einen kostenlosen Quick Check für das Objekt bekommen, der wie ein Laborbericht einen Überblick über die ESG-Situation gibt. Andere Auftraggeber müssen den ansonsten üblichen Betrag bezahlen. Bei einem Jahresvertrag für ein Objekt wären das insgesamt 588 Euro.


E&V: Was verstehen Sie unter ESG-Kriterien bei Wohn- und Geschäftshäusern?


Kriesel: Man muss bei ESG-Kriterien nicht zwischen der Art der Immobilie unterscheiden. Die Kriterien sind grundsätzlich für alle Gebäudearten gleich. Rein regulatorisch geht es dabei vor allem um Heiz- und Stromverbräuche und Bezugsquellen. Daraus lässt sich dann der CO2-Ausstoß berechnen. Seit diesem Jahr dürfen Vermieter die CO2-Steuer nicht mehr vollständig auf Mieter umlegen, wenn es sich bei dem Gebäude hauptsächlich um ein Wohngebäude handelt. Bei Immobilien, die nur für kommerzielle Zwecke vermietet werden, gibt es zurzeit noch eine hälftige Aufteilung der Kosten.


Hinzu kommen im Prinzip auch Informationen zum Wasserverbrauch, Recyclinganteil bzw. Abfallmengen, eigene PV-Anlagen und die physischen Auswirkungen, die der Klimawandel auf die Immobilie haben kann, auch physischen Risiken genannt, Biodiversitätsthemen wie Begrünung bzw. Versiegelung von Flächen, soziale Themen wie Barrierefreiheit, Beschwerdemanagement oder auch Governance-Themen wie grüne Mietverträge mit spezifischen Nachhaltigkeitsklauseln. Dazu gibt es noch unzählige weitere Themen, die relevant sein können und für jegliche Immobilien eine Rolle spielen.


Praktisch sind im WGH-Bereich aber vor allem die Verbrauchsthemen rund um den Energiebedarf relevant. Diese sind bereits heute ganz oben auf der politischen Agenda, wodurch hier ganz konkret Handlungsbedarf besteht und damit kurzfristig Kosten auf den Besitzer zukommen, aber auch Fördermöglichkeiten genutzt werden können.


E&V: Warum sollten sich Eigentümer eines WGH mit ESG-Themen beschäftigen?


Kriesel: Zum einen wegen der CO2-Steuer, die heute noch sehr gering ist, aber ab 2027 ist ein offener Handelsplatz für CO2-Zertifikate geplant, wodurch sich der Preis absehbar stark erhöhen wird. So liegt heute der Preis für eine Tonne CO2 bei 30 Euro und steigt bis 2027 bereits auf 55 bis 65 Euro. Der faire bzw. angebrachte Marktpreis für CO2 liegt laut Umweltbundesamt aber bei 237 Euro. Dementsprechend kann man davon ausgehen, dass, wenn man heute nicht handelt, es spätestens ab 2027 sehr teuer wird.


Zum anderen sind Banken durch neue EU-Regulierungen verpflichtet, ESG-Kriterien abzufragen, damit Immobilienprojekte finanziert werden können. Man kann davon ausgehen, dass schlechte ESG-Ergebnisse dazu führen werden, dass Kredite teurer werden oder Gebäude sogar überhaupt nicht finanziert werden. Deswegen ist ESG-Transparenz für jeden Besitzer wichtig. Im kommerziellen Bereich vor allem auch deswegen, weil eine ESG-Due Diligence mittlerweile zum Standardprozess in der Transaktion gehört.


E&V: Wie messen Sie das?


Kriesel: Wir schauen uns die unterschiedlichen Verbräuche, Verträge, die Immobiliennutzungsarten, den Standort und andere Faktoren an und setzen diese zueinander in Bezug, so dass wir am Ende ein Bild erhalten. Unser spezifischer Vorteil ist, dass wir viel über statistische Modelle arbeiten und dadurch mit schon sehr wenig Informationen, aussagefähig sind.


E&V: Wie läuft eine ESG-Bewertung ab?


Kriesel: Sie legen eine Immobilie in unserer Software an, fügen die notwendigen Daten hinzu, zum Beispiel Verbräuche und Nutzungsarten. Die Software errechnet dann automatisch die wichtigsten Kennzahlen. Diese stehen Ihnen dann zur Verfügung und Sie können kontinuierlich mehr Informationen hinzufügen, um tiefere Auswertungen zu erhalten. Wenn Sie beispielsweise ein Exposé brauchen oder einen Kredit beantragen möchten, können Sie die Informationen außerdem exportieren und den Report Ihren inhaltlichen Wünschen anpassen.


Wir verstehen uns als neutraler Bewerter und Berater und sind nicht an den Transaktionsprozessen selber beteiligt. Mithilfe der von uns zur Verfügung gestellten Daten sollen die Transaktionen vielmehr vor dem Hintergrund ESG transparent werden, so dass alle Seiten ihre Entscheidungen auf der richtigen Grundlage treffen können.


E&V: Wie werden mögliche Sanierungsmaßnahmen in der Software berücksichtigt?


Kriesel: In einer weiterführenden Analyse können wir Sanierungsmaßnahmen empfehlen, die sich positiv auf die Energie- und Emissionsbilanz auswirken und so ein nachhaltiges Bewirtschaften des Objekts ermöglichen. Für die einzelnen Maßnahmen werden die wichtigen Daten wie eine Prognose zum CO2-Einsparungspotential und Kostenaufwand zur Verfügung gestellt. Wir entwickeln das Programm derzeit insofern, dass beispielsweise die Information geliefert werden kann, wie viel eine Außendämmung für ein vergleichbares Objekt in der Vergangenheit statistisch gekostet hat und welches Einsparpotential damit realisiert werden konnte. Sie bekommen so mit einem dicken Daumen eine Investitionsprognose. Diese ersetzt nicht die detaillierte Planung von Maßnahmen, sondern stellt mit minimalem Aufwand und Kosten eine Entscheidungshilfe bereit, welche das Risiko von Investitionsentscheidungen signifikant reduziert und so zielgerichtetes Handeln ermöglicht, bevor hohe Kosten entstehen.

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