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UPDATE - Stand 1. September 2020 | Das Landgericht Berlin urteilt erneut zugunsten des bestehenden Mietrechts nach BGB und damit entgegen dem Mietendeckel. Im aktuellen Fall ging es um eine Mietspiegel-konforme Erhöhung der sogenannten Schattenmiete: Diese darf wegen des Mietendeckels zwar nicht vom Vermieter eingefordert und angenommen werden; die Vereinbarung der Erhöhung gemäß BGB ist dagegen zulässig.
Seit rund einem halben Jahr gilt der Mietendeckel in Berlin. Wie wirkt sich das Gesetz auf den Wohnungsmarkt aus? Was bedeuten die Urteile aus Berlin und Bayern für das weitere gerichtliche Verfahren? Und welche Folgen hat der Wechsel an der Spitze der zuständigen Senatsverwaltung?
Rund sechs Monate nach Inkrafttreten des Mietendeckels (MietenWoG Bln) zeigt eine erste Bilanz: Während das Mietpreisniveau in Berlin im zweiten Quartal 2020 insgesamt relativ stabil bleibt, sinkt es im gedeckelten Marktsegment – Bestandswohnungen bis Baujahr 2014 – um -1,1 Prozent. Zu diesem Ergebnis kommt eine Auswertung der Value AG für das zweite Jahresviertel 2020 im Vergleich zum Vorquartal, basierend auf Angebotsdaten der empirica-systeme Marktdatenbank.
Hinzu kommt ein ungewollter Effekt, der den Druck auf den Berliner Wohnungsmarkt weiter erhöht: Der Mietendeckel lässt das Angebot an Mietwohnungen einbrechen. Die Anzahl öffentlich angebotener Mietwohnungen, die unter den Mietendeckel fallen, ist seit Januar 2020 um rund 50 Prozent gesunken. Den stärksten Rückgang verzeichnet die Erhebung im März mit Beginn des Corona-Lockdowns.
Für den gesamten Berliner Mietwohnungsmarkt inklusive Neubau bedeutet das einen Angebotsrückgang um 25 Prozent gegenüber dem ersten Quartal des Jahres. Zudem zeigt die Auswertung, dass der Anteil höherpreisiger, nicht gedeckelter Neubauwohnungen steigt.
Bundesweit blieb das Angebotsvolumen am Wohnungsmarkt dagegen überwiegend stabil; im April verzeichnete die Auswertung leichte Rückgänge, die jedoch im Mai wieder anzogen.
„Der Mietendeckel hat das Problem zuziehender Neuberliner ebenso wenig gelöst, wie das von Bestandsmietern, die umziehen wollen oder müssen“, kommentiert Rackham F. Schröder, Geschäftsführer von Engel & Völkers Commercial Berlin.
Eine weitere ungewollte Folge, die viele umzugswillige Mieter verunsichert und von einem Wohnungswechsel abhält, sind sogenannte Schattenmieten. Sie sind das Ergebnis einer unklaren Rechtslage und der Ansatz vieler Vermieter, sich abzusichern, wenn der Mietendeckel vom Bundesverfassungsgericht gekippt werden sollte oder nach fünf Jahren wie vorgesehen ausläuft. Für diese Fälle schreiben viele Vermieter zwei Beträge in den Vertrag: Die gedeckelte Miete laut Mietendeckel sowie die „normale“ Miete nach bisherigem Bundesrecht, die sich nach Mietspiegel und Mietpreisbremse richtet.
Ausgewertet wurden 3.133 Wohnungen, die seit Inkrafttreten des Mietendeckels am 23. Februar 2020 bis zum 30. Juni 2020 angeboten wurden und für die ein eindeutiger oder angenommener Grenzwert aus der Mietentabelle des MietenWoG Bln ermittelbar war.
Bereits Mitte März 2020 hat das Landgericht Berlin das Gesetz zum Mietendeckel (MietenWoG Bln) als formell verfassungswidrig eingestuft, demnach fehle dem Land Berlin die Gesetzgebungskompetenz. Ähnlich urteilte inzwischen der Bayerische Verfassungsgerichtshof gegen das dortige Volksbegehren zum Mietenstopp. Seit Mai ist zudem eine Normenkontrollklage am Berliner Verfassungsgerichtshof anhängig, die CDU und FDP eingereicht hatten.
Trotz alldem bleibt für die abschließende Klärung, ob der Mietendeckel vom Land Berlin verhängt werden darf und damit grundsätzlich gilt oder fällt, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts abzuwarten. Ein Termin steht weiterhin aus.
Berlins neuer Bausenator Sebastian Scheel ließ am 27. August 2020 einem Zitat der WirtschaftsWoche zufolge verlauten, dass nach Aussagen des Bundesverfassungsgerichts erst im zweiten Quartal 2021 mit einer Entscheidung zu rechnen sei.
Die „Architektin“ des Mietendeckels wird sich mit dem entscheidenden Urteil nicht mehr befassen müssen, dafür jedoch mit einem möglichen persönlichen Verfahren: Mitte August, rund zwei Wochen, nachdem Katrin Lompscher wegen falsch abgerechneter und nicht versteuerter Einnahmen zurückgetreten war, kündigte die Generalstaatsanwaltschaft von Berlin Vorermittlungen gegen die ehemalige Bausenatorin an. Geprüft werde der Verdacht auf Steuerhinterziehung.
Für den Berliner Mietendeckel wird der Rücktritt keine absehbaren Folgen haben. Hoffnung besteht dagegen für einen dringend nötigen und vielfach geforderten Neustart in der Baupolitik. Sebastian Scheel, Nachfolger von Katrin Lompscher und vorheriger Staatssekretär für Wohnen, steht seit seinem Amtsantritt unter Druck: Berlin fehlen bis zu 100.000 neue Wohnungen.
Bildnachweise:
Sebastian Scheel, Berlins Senator für Stadtentwicklung und Wohnen | © Ben Gross
Tabelle: F+B Forschung und Beratung für Wohnen, Immobilien und Umwelt GmbH, F+B-Wohn-Index Deutschland Q2/2020, Pressemitteilung vom 10. August 2020
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