- 8 min. Lesezeit
- 05.09.2025
- von Michaela Cordes
Nicht ohne meine Familie – Leonardo Ferragamo im exklusiven Interview
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Ausgabe
04/25
Ort
Florenz, Italien
Fotografie
Mark Seelen / Courtesy of Ferragamo
Leonardo Ferragamo, Sohn von Firmengründer Salvatore, führt das Luxusunternehmen in zweiter Generation. Im Exklusiv-Interview spricht der vierfache Vater und zweifache Großvater über die Neuausrichtung der Marke, das Erbe seiner Eltern – und darüber, warum wahre Eleganz zeitlos ist.
Inhaltsverzeichnis
Ein Familienerbe mit Verantwortung
Die Bedeutung des Handwerks
Tradition und Innovation im Gleichgewicht
Luxus, der bleibt
Florenz, ein sonniger Montagmorgen. Leonardo Ferragamo steht für das GG-Fotoshooting auf dem Dach des Palazzo Spini Feroni, seit 1938 Firmensitz von Ferragamo. Das markante Gancini-Symbol – ein stilisiertes Hufeisen, inspiriert von einem antiken Türbeschlag am Stammsitz in Florenz – verkörpert wie kein anderes Zeichen die Werte der Marke: Tradition, Qualität und Innovation. Seit fast einhundert Jahren zählen handwerkliche Perfektion und Exzellenz zu den prägenden Eigenschaften des italienischen Luxusmodehauses. Seit der Gründung im Jahr 1927 durch den charismatischen Schuhmacher Salvatore Ferragamo steht der Name für außergewöhnliches Design, höchste Qualität und eine tiefe Verbundenheit mit dem kulturellen Erbe Italiens.

Ein Familienerbe mit Verantwortung
Es ist beeindruckend, wie es Ihnen als Familie gelungen ist, die Werte Ihrer Eltern zu bewahren und Ferragamo zu einem der bedeutendsten Akteure der heutigen Luxusindustrie zu machen. Wenn Sie zurückblicken, welche Erinnerung an Ihren Vater ist Ihnen am stärksten im Gedächtnis geblieben?
Meine Geschwister und ich fühlen uns zutiefst privilegiert, zwei außergewöhnliche Eltern gehabt zu haben. Mein Vater verstarb 1960 im Alter von 62 Jahren. Meine Mutter war damals erst 38 Jahre alt und übernahm die Verantwortung für die Familie und das Unternehmen.
Zwar wird zumeist Ihr Vater als Gründer der Firma gefeiert, doch war es tatsächlich Ihre Mutter, die mit visionärer Kraft und unternehmerischem Geschick das Haus Ferragamo zu der heute international gefeierten Luxusmarke ausbaute und gleichzeitig Sie und Ihre fünf Geschwister großzog. Bis zu ihrem Tod mit 97 Jahren war es das alleinige Ziel Ihrer Mutter, das kreative Erbe ihres Mannes nicht nur zu bewahren, sondern in eine neue Ära zu führen. Wie hat sie das geschafft?
Als mein Vater starb, waren wir Kinder zwischen zweieinhalb und achtzehn Jahren alt. Sie sah es als ihre Mission an, die außergewöhnliche Geschichte, die sie mit meinem Vater gelebt hatte, weiterzugeben. Durch sie wurde sein Lebenswerk für uns zur ständigen Präsenz. Es hat uns so sehr geprägt, dass wir eine innere Verpflichtung verspürten, die Träume unserer Eltern fortzuführen und ihr Erbe zu bewahren. Diese Motivation hat uns durch unser ganzes Leben begleitet. Jeder von uns sechs Kindern trat zu seiner Zeit mit genau diesem Antrieb ins Unternehmen ein – mit dem Wunsch, das Vermächtnis weiterzuentwickeln und die Marke zum Erfolg zu führen. Individuell für sich, aber auch als Teil eines Teams.

Unser Ziel ist es, der nächsten Generation dieselbe starke Familienverbundenheit mitzugeben, die unsere Mutter uns vorgelebt hat.
Die Bedeutung des Handwerks
Ferragamo ist auch ein Synonym für Handwerkskunst und die Würdigung der Kunsthandwerker, die mit Leidenschaft Produkte zum Leben erwecken. Wurden Sie schon als Kind in diese Welt eingeführt?
Ja, das Handwerk ist tief in meiner Kultur verwurzelt. Ich erinnere mich daran, wie ich mit zwei Jahren mit Lederproben spielte, während mein Vater zu Hause Schuhe fertigte. Als ich in die Grundschule kam – die erste Klasse war das einzige Schuljahr, das mein Vater noch miterlebte – durfte ich zur Belohnung mit in die Fabrik. Dort lernte ich bei den Schuhmachern erste handwerkliche Arbeiten. Später, als Teenager, verbrachte ich mit meinem jüngeren Bruder Massimo die Sommermonate in der Fabrik. Ich erinnere mich, dass ich mit vierzehn mein erstes Paar Schuhe für meine Mutter fertigte. Sie hat sie übrigens nie getragen, dabei sahen sie gar nicht so schlecht aus (lacht). Meine erste Aufgabe im Unternehmen war dann auch in der Schuhproduktion, direkt an der Seite unserer Meisterhandwerker. Ich habe diese Arbeit immer geliebt.

Tatsächlich feierte Salvatore Ferragamo seinen internationalen Durchbruch in den USA, wo er in den 1920er-Jahren als „Schuhmacher der Stars“ in Hollywood berühmt wurde. Trotz seines Erfolgs zog es ihn 1927 nach Italien zurück, wo er in Florenz das Unternehmen Salvatore Ferragamo gründete.
Was mit der Anfertigung maßgeschneiderter Damenschuhe für Filmikonen wie Audrey Hepburn oder Marilyn Monroe begann, ist längst eine internationale Luxusmarke, deren DNA unverkennbar geblieben ist. Florenz gilt bis heute als Zentrum italienischer Handwerkskunst. Wie schwierig ist es für Sie heute, diese Tradition fortzuführen?
Mein Vater wählte Florenz, nachdem er in Hollywood sehr jung erfolgreich war. Mit 29 Jahren entschied er sich, Amerika zu verlassen und nach Italien zurückzukehren – auf der Suche nach echter Qualität. Er wählte Florenz wegen seiner Geschichte und Kultur. Er hatte recht: Damals wie heute ist unser Standort ideal. Als Hauptstadt der Toskana verkörpert Florenz immer noch das Beste, was das Handwerk – insbesondere die Lederverarbeitung – zu bieten hat. Doch Handwerkskunst bedeutet mehr, als nur etwas mit den Händen zu tun. Sie beginnt im Kopf und im Herzen, in der Leidenschaft, mit der man etwas erfindet, gestaltet und schließlich mit den eigenen Händen umsetzt. Dieser Geist, dieses State of Mind, ist tief in unserer toskanischen Kultur verankert. Und obwohl sich die Prozesse verändert haben, bleibt der zentrale Wert derselbe: Partnerschaft, Qualität und Seele.

Haben auch Ihre Geschwister diesen Respekt vor der Handwerkskunst verinnerlicht?
Ja, absolut. Wir tragen die Verantwortung, diese Wertschätzung weiterzugeben – sowohl an die Menschen, die physisch in unseren Werkstätten arbeiten, als auch an diejenigen, die Produkte entwerfen und entwickeln. Das Durchschnittsalter in unserer Fabrik ist mit rund dreißig Jahren erstaunlich niedrig. Doch es gibt auch Mitarbeiter in ihren 50ern und 60ern, die ihr Wissen weitergeben. Wir spüren derzeit eine neue Leidenschaft für manuelles Arbeiten. Ich hoffe, dass es ein echter Trend ist! Die Sensibilität und der Wunsch, Dinge mit der Hand zu erschaffen, sind auf jeden Fall wieder da.
Tradition und Innovation im Gleichgewicht
Werden alle Ferragamo-Produkte immer noch in Italien produziert?
Ja, zu hundert Prozent – mit nur ganz wenigen Ausnahmen.
Wie viele Mitarbeiter arbeiten für Sie?
Wir haben ein Netzwerk von Lieferanten in der Toskana und in anderen Teilen Italiens. Direkt bei uns im Haus arbeiten rund fünfzig Personen an Prototypen und an der Produktentwicklung. Die eigentliche Fertigung erfolgt dann über unsere Partnerbetriebe.

Dass wir immer noch ein Familienunternehmen sind, erfüllt unsere Mitarbeiter mit einem besonderen Stolz: Teil einer einzigartigen Geschichte zu sein.
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Weltweit arbeiten heute 3.585 Fachleute für Ihre Firma, und Sie betreiben 367 eigene Shops in über 90 Ländern. Die meisten Luxusmarken gehören mittlerweile zu Konzernen wie LVMH oder Kering. Ferragamo hingegen ist eines der letzten großen Unternehmen in Familienbesitz. Inwiefern ist das eine Herausforderung und zugleich ein Vorteil?
Unabhängigkeit bringt Herausforderungen mit sich. Wir haben vielleicht nicht die gleiche Verhandlungsmacht oder Größe wie die großen Konzerne. Das macht uns jedoch kreativer, flexibler und manchmal auch mutiger. Es gibt noch andere wunderbare unabhängige Marken, die ebenfalls in Familienbesitz sind: Chanel, Cucinelli, Zegna, Moncler. Große Namen, die ihren ganz eigenen Weg gehen, so wie wir. Dass wir nach wie vor ein Familienunternehmen sind, schafft auch bei unseren Mitarbeitern einen ganz besonderen Stolz: Teil einer einzigartigen Geschichte zu sein.
Ihre Familie tritt stets vereint und harmonisch nach außen auf – das ist heutzutage eine Seltenheit. Viele ehemals große Familienunternehmen sind im Inneren oft zerstritten. Wie ist Ihnen das gelungen?
Einheit ist eine große Kraft. Uns wurde beigebracht, dass man sie sich auch durch persönliche Opfer verdienen muss. Und so haben wir es auch gelebt. Meine Mutter war immer die treibende Kraft hinter diesem Zusammenhalt. Aber wir alle haben ihn getragen. Wenn einer von uns Brüdern und Schwestern mal durch eine schwere Zeit ging, standen die anderen immer hinter ihm oder ihr. Dieser Zusammenhalt hat unsere Generation geprägt – und wir versuchen heute, ihn auch in der dritten Generation am Leben zu halten. Das ist nicht einfach, aber essenziell.

Gibt es innerhalb der Familie eine klare Nachfolgeplanung für die nächste Generation?
Nicht in Form eines festen Plans. Aber von den achtzehn Mitgliedern der dritten Generation sind derzeit bereits sechs aktiv im Unternehmen tätig. James, der Sohn meines Bruders Ferruccio, und Angelica, die Tochter meiner Schwester Fulvia, arbeiten mit mir zusammen. Diego, der Sohn meiner Schwester Fiamma, ist in der Holdinggesellschaft tätig, Manuele, der Sohn meiner Schwester Fulvia, arbeitet im Bereich Immobilien und Hotellerie, und mein Sohn Riccardo betreut Zentraleuropa. Unsere Herausforderung ist es nun, in dieser neuen Generation dieselbe Verbundenheit zu schaffen, die wir als Geschwister gelebt haben. Unser Ziel ist es, einen echten Teamgeist zu fördern – so, wie wir ihn aus unserer Jugend kennen. Wir wollen jedem von ihnen Raum geben, um seine Fähigkeiten zu beweisen.
Maximilian hat uns sofort beeindruckt. Mit seiner Eleganz, seiner Sensibilität und seinem Respekt vor dem Erbe unseres Vaters.
Sie waren sehr jung, als Sie ins Unternehmen kamen – genau wie Ihr Vater. Nun haben Sie mit dem Briten Maximilian Davis aus Manchester einen neuen Kreativdirektor ernannt und mit ihm ganz frische Akzente gesetzt. Wie wurde das aufgenommen?
Wir haben über sechzig Kandidaten geprüft. Maximilian Davis hat uns sofort beeindruckt – mit seiner natürlichen Eleganz, seiner Sensibilität für unsere Geschichte, seinem Respekt vor dem Erbe meines Vaters und seiner außergewöhnlichen Kreativität. Zudem ist er ein wunderbarer Mensch, offen, teamfähig, reflektiert. Gerade bei jungen Designern ist es wichtig, dass sie bereit sind, zuzuhören, zu lernen und gemeinsam zu wachsen. Das alles hat er mitgebracht. Seine Rolle war entscheidend für die Verjüngung der Marke.


Auch das neue Logo, bei dem Sie entschieden haben, auf den Vornamen Ihres Vaters zu verzichten, war ein mutiger Schritt.
Ja, das war eine sehr bewusste Entscheidung. Wir haben es jahrelang diskutiert. Das alte Logo – mit dem vollen Namen meines Vaters – war im digitalen Zeitalter schwer lesbar und visuell nicht mehr zeitgemäß. Als wir in die Archive blickten, stellten wir fest, dass mein Vater oft nur seinen Nachnamen verwendete. Das neue Logo ist von einem seiner Designs aus den 1930er-Jahren inspiriert, das von Lucio Venna entworfen wurde. Auch unsere Farbe, das klassische Burgunderrot, haben wir überdacht. Nun nutzen wir ein frischeres Rot, das mein Vater in den 1950er-Jahren für Marilyn Monroes Schuhe verwendete.
Warum die Farbe Rot?
Rot steht für unsere Marke: Herz, Liebe, Leidenschaft.
Es wirkt, als hätten Sie diese Neuausrichtung ganz persönlich vorangetrieben.
Ich war einer der entschiedensten Befürworter. Es war ein notwendiger Schritt, kein radikaler Umbruch, sondern eine gezielte Evolution. Es brauchte Mut, aber es war die richtige Entscheidung – für heute und für die Zukunft. Dieser Schritt hat auch die junge Generation unserer Familie inspiriert.
Welche Märkte sind heute die wichtigsten für Ferragamo?
Unser Ziel war es schon immer, italienische Kreativität und Qualität in die Welt zu tragen. Das tun wir heute mehr denn je. Wir waren eine der ersten Marken in China – viele Jahre vor anderen. Heute spielt Europa, besonders Deutschland, eine zentrale Rolle. Die Menschen hier haben ein tiefes Verständnis für Stil. Südamerika wächst stark und Asien stellt aktuell unsere größte Herausforderung dar. Wir wollen auf der ganzen Welt Schönheit, Innovation und Funktionalität miteinander verbinden – das ist tief in unserer DNA verankert.
Welche Artikel in Ihrem Sortiment gehören seit Jahren zu ihren Bestsellern?
Wir haben einige sogenannte „Ferragamo Forever“-Produkte, wie die „Top Handle“- Handtasche oder die „Vara“-Schuhe mit Goldplakette, die Kunden immer wieder in unserem Sortiment finden. Aber auch jüngere Produkte wie die Tasche „Hug“ haben sich schnell zu neuen Ikonen und modernen Ferragamo-Klassikern entwickelt.

Luxus, der bleibt
Luxus – was bedeutet das für Sie persönlich?
Ich beschreibe lieber, was Luxus für mich nicht ist: Er muss nicht auffällig, extrem oder übertrieben sein. Luxus ist das, was bleibt. Es geht darum, sich gut zu fühlen – mit dem Produkt, das man trägt, mit dem Service, den man erhält, und mit dem Umfeld, in dem man sich bewegt. Es geht um persönliche Erfüllung, nicht darum, sich zur Schau zu stellen.
Haben Sie durch Ihre Erziehung ein tieferes Bewusstsein für handgearbeiteten Luxus entwickelt?
Ganz sicher. Wenn man von klein auf erlebt, wie viel Herz und Arbeit in einem Produkt stecken, lernt man, es wirklich zu schätzen.
Und was bedeutet Familie für Sie?
Vor allem Liebe. Liebe, die sich in vielen Formen zeigt – im Erziehen von Kindern, im Zusammenhalt, im Teilen von Erfahrungen. Familie bedeutet, einander im Herzen zu tragen und möglichst jeden gemeinsamen Moment zu teilen und zu genießen. Ich versuche dies mit meinen vier Kindern und zwei Enkelkindern jeden Tag zu leben – so gut ich kann.

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