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Rebecca Scheidler, Gründerin und Geschäftsführerin von Engel & Völkers Finance, kennt die Antworten. Seit über zehn Jahren vermittelt sie Immobilienfinanzierungen und bringt fundiertes Wissen und Marktverständnis mit. Im Interview erklärt sie, warum sich Bauzinsen nicht immer wie erwartet entwickeln, welche Rolle Banken und Politik spielen – und was das für Käufer und Investoren konkret bedeutet.
1. Warum reagieren Bauzinsen oft entgegen der Erwartungen?
Bauzinsen werden von einer Vielzahl von Faktoren beeinflusst, darunter die Geldpolitik der Zentralbanken, wirtschaftliche Indikatoren und die spezifische Situation der Banken. Obwohl die Europäische Zentralbank (EZB) kürzlich den Leitzins auf 2,5 % gesenkt hat, um die Konjunktur zu stützen, können andere Faktoren wie die Risikobewertung der Banken, die Inflationserwartungen und die Refinanzierungskosten dazu führen, dass Bauzinsen nicht im gleichen Maße sinken oder sogar steigen.
Ich würde aber nicht sagen, dass sie “oft” entgegen der Erwartungen reagieren. Es kann gelegentlich passieren, da es viele Einflussfaktoren mit unterschiedlicher Stärke gibt.
2. Welche Rolle spielen die Banken aktuell? Wieso verschärfen sie ihre Bedingungen, obwohl der Leitzins sinkt?
Banken müssen ihre Kreditvergabepolitik an die aktuellen wirtschaftlichen Bedingungen anpassen. Trotz der Leitzinssenkung können Faktoren wie erhöhte Kreditrisiken, wirtschaftliche Unsicherheiten oder gestiegene Refinanzierungskosten dazu führen, dass Banken ihre Kreditbedingungen verschärfen. Die Verkündung seitens der Politik im März 2025, die Schuldenbremse zu lockern, führte zu einem so starken Anstieg der Renditen von Bundesanleihen wie zuletzt vor 30 Jahren.
3. Hat die EZB überhaupt noch Einfluss auf den Bauzins, oder bestimmen inzwischen andere Faktoren die Spielregeln?
Es gibt keinen direkten Zusammenhang oder gar eine Korrelation zwischen Leitzins und Bauzins. Also, wenn der Leitzins angepasst wird, reagiert in der Regel nicht der Bauzins darauf. Die Geldpolitik der EZB hat aber indirekt Auswirkung auf den Bauzins: Betrachtet man die Entwicklung des Leitzins und Bauzins historisch, wird man feststellen, dass wenn der Leitzins hoch ist, tendenziell auch der Bauzins hoch ist und eben andersrum.
Wichtig ist es aber zu verstehen, dass sich die Bauzinsen langfristig an den Anlagen am Kapitalmarkt wie zum Beispiel den Renditen der Bundesanleihen orientieren.
4. Wie reagieren Ihre Kunden auf die plötzlichen Bauzinserhöhungen? Gibt es bereits spürbare Auswirkungen auf den Markt?
Die Kunden sind teilweise schon überrascht über die kurzfristig gestiegenen Zinsen und deshalb ist aktuell viel Aufklärungsarbeit und Beratung nötig. Eine Veränderung der Nachfrage von Finanzierungen konnten wir aber bislang nicht vermerken, auch wenn dieser Tage durch diverse politische Risiken Unsicherheit am Markt zu spüren ist.
5. Worauf müssen Käufer jetzt wirklich achten, um nicht in eine Kostenfalle zu geraten?
Käufer sollten ihre Finanzierung sorgfältig planen, einen ausreichenden Eigenkapitalanteil einbringen und die langfristige Tragfähigkeit der Kreditraten sicherstellen. Es ist ratsam, verschiedene Angebote zu vergleichen und sich über mögliche Förderprogramme zu informieren. Zudem sollten die Gesamtkosten, einschließlich Nebenkosten und eventueller Sanierungskosten, realistisch kalkuliert werden.
6. Wie wahrscheinlich ist es, dass sich Zinsen für Immobilienfinanzierungen in den nächsten Monaten wieder entspannen – oder müssen wir uns auf dauerhaft höhere Kosten einstellen?
Beides ist möglich: Teilt man jedoch die Einschätzung der meisten Analysten und sollten die geplanten Investitionsprogramme der Bundesregierung umgesetzt werden, dann steigt die Wahrscheinlichkeit, dass die Inflation wächst und das wiederum könnte dann auch den Bauzins erstmal oben halten.
7. Warum scheinen einige Banken panisch zu reagieren und ihre Fristen drastisch zu verkürzen? Was steckt dahinter?
Banken reagieren auf wirtschaftliche Unsicherheiten und steigende Risiken, indem sie ihre Kreditvergabebedingungen anpassen. Verkürzte Fristen können ein Mittel sein, um das Risiko zu minimieren und schneller auf Marktveränderungen reagieren zu können. Diese Maßnahmen dienen dem Schutz der Banken vor möglichen Kreditausfällen in unsicheren Zeiten.
8. Sollten Kaufinteressenten jetzt schnell zuschlagen oder lieber abwarten?
Diese Entscheidung hängt von der individuellen Situation ab. Bei ausreichendem Eigenkapital und langfristiger Planung kann jetzt ein guter Zeitpunkt sein, insbesondere da die Immobilienpreise in einigen Regionen sinken. Allerdings sollten potenzielle Käufer die Unsicherheiten am Markt berücksichtigen und sicherstellen, dass sie sich die Finanzierung auch bei möglichen weiteren Zinssteigerungen leisten können.
9. Welche politischen oder wirtschaftlichen Entscheidungen könnten die Zinslage unerwartet verändern?
Staatliche Konjunkturprogramme, Änderungen in der Regulierung des Bankensektors oder unvorhergesehene wirtschaftliche Ereignisse können die Zinslage beeinflussen. Auch geopolitische Entwicklungen oder globale Wirtschaftskrisen können zu unerwarteten Veränderungen führen.
Es ist wichtig, die Entwicklungen am Markt genau zu beobachten und sich bei Entscheidungen zur Immobilienfinanzierung umfassend beraten zu lassen.
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